Re[2]: [wos] Fwd: <nettime> "Content Flatrate" and the Social Democracy of the Digital Commons

Janko Roettgers roettgers at lowpass.de
Thu Jul 22 03:44:40 CEST 2004


Felix meinte:

FS> Freie Software, als Entwicklungsmodel, ist nicht wirklich auf
FS> andere Bereiche uebertragbar.

Richtig. Und es ist gefaehrlich, sich einzubilden wir koennten den
Umgang mit geistigem Eigentum allein dadurch aendern, dass wir jetzt
alles irgendwie "offen" aehnlich Freier Software entwickeln. Es geht
naemlich nicht nur um Entwicklung - und auch wenn es toll ist, dass
heute jeder Konsument auch Produzent sein kann und dass Musik sich
selbst generieren kann, dann ist dies doch viel unbedeutender als die
Tatsache, dass heute dank P2P und Co. viel mehr Menschen Zugriff auf
viel mehr Kulturgueter haben als je zuvor.

Der wichtigste Unterschied: Wer Ersatz fuer ein erfolgreiches, aber
proprietaeres Softwareprodukt haben will, kann danach heute einfach
bei Sourceforge suchen oder es auch einfach selber programmieren - die
ganze Diskussion um Softwarepatente lass ich jetzt mal aussen vor.
Bestenfalls kommt dabei etwas besseres heraus, schlimmstenfalls so
etwas wie The Gimp.

Kultur funktioniert aber so nicht. Klar, wir koennen alle schoen mit
offenen Lizenzen publizieren, und das macht auch in vielen Faellen
Sinn. Bereits produzierte Kulturgueter lassen sich dadurch aber nicht
ersetzen. Ich kann mich nicht einfach hinsetzen und ein Open Source-
Pendant zu den Beatles schaffen. Ich kann vielleicht toll klingende
Musik machen, mir einen lustigen Haarschnitt zulegen und das alles
ganz freigiebig verschenken oder mir dafuer ein noch so cleveres
offenes Business-Modell ueberlegen - all das aendert nichts an der
kulturellen Signifikanz der Beatles.

Wir haben also einen riesigen Pool an Kulturguetern der letzten 100
Jahre (+- 30, je nachdem, wann denn der Autor so verstorben ist), die
derzeit vom real existierdenden Urheberrecht geschuetzt werden. In
Deutschland hat sich eine Gruppe von um die 20 Millionen Menschen dazu
entschieden, dieses Recht einfach mal zu ignorieren und diese
Kulturgueter fleissig ueber P2P-Netze auszutauschen.

Wenn man jetzt das Urheberrecht umgestalten, ausghebeln, reformieren
oder aehnliches will, kann man sich ueberlegen, wie man mit diesen 20
Millionen Menschen umgeht. Soll man sie ignorieren, waehrend man an
seiner feinen Mikro-Utopie einer Open Source-Gemeinschaft bastelt?
Soll man mit anschauen, wie sich die Grossverwerter spezielle
Auskunftsrechte beim Internet-Provider zusichern, um dann tausendfach
Abmahnungen zu verfassen? Oder sollte man sich ueberlegen, wie man
diese 20 Millionen P2P-Nutzer mit einbindet und mit ihnen gemeinsam
die Rolle, die geistiges Eigentum in unserer Gesellschaft spielt, neu
definiert - anstatt diese Definition mal wieder anderen zu ueberlassen?


-- 
Janko Roettgers       / icq: 118804546
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