P2P-Steuer fuer's Internet? (was: Re: [wos] Nice Berlin Declaration coverage)

tt at cut3.com tt at cut3.com
Tue Jul 6 02:45:32 CEST 2004


> 
> Die Produktionsmethoden und Lizenzen der Freien Software funktionieren
> nur deshalb nicht gut für andere Wissensgebiete, weil Autoren und
> Künstler schlechter bezahlt werden als Programmierer und daher nicht
> genügend freie Zeit haben, Werke für die Allgemeinheit zu schreiben, an
> denen sie nichts verdienen.

das ist vielleicht ein wichtiger grund, aber sicher nicht alleine
ausschlaggebend. einige auf dieser liste etwa verfassen laufend texte für
die sie nicht bezahlt werden. und ich würde einmal sagen ein grosser teil
der künstler wird für seine arbeit sowieso nicht „bezahlt“ und kann sich das
trotzdem irgendwie leisten. (gerade mal 900 menschen können zum beispiel im
musikland grossbritannien von der von ihnen komponierten musik leben)

der hauptunterschied zwischen gpl-programmier und künstlern ist, dass
letztere zwar in einem diskurszusammenhang stehen, und auch vielleicht
ansatzweise kooperieren, aber doch weitgehend als autonome grösstenteils
konkurrierende künstlersubjekte agieren.

gpl-programmier dagegen arbeiten zwar alle auf ihrer mehr oder weniger
kleinen baustelle, aber doch alle gemeinsam am opus magnus, am grossen,
grossen werkzeugkasten in dem man eines tages für jeden zweck die richtige
zange finden wird.
dort kann sich auch jeder gleich bedienen, und das hat sobald das system
einen gewissen reifegrad erreicht hat, massive auswirkungen auf die
motivation etwas beizutragen.
einerseits entsteht motivation weil man dort etwas zurückzugeben will, wo
man etwas bekommen hat, und andererseits weil man zur avantgarde gehören
möchte die das grossen ewig bestehenden werk aufbaut. denn das ist einfach
cool.

das passiert auch bei wikipaedia und einen ähnlichen effekt möchte jetzt
auch cc hervorrufen. es wird spannend sein zu beobachten in welchen
bereichen es gelingt derartige phänomene auszulösen, aber es ist eben sehr
fraglich ob sich etwa an der produktionsweise von unterhaltungsfilmen etwas
ändern wird.


> Was ist das harte Kriterium, mit dem man Texte, Musikstücke oder Filme
> von "Software" unterscheidet? Daß sie nicht algorithmisch ausführbar
> sind? Leider stimmt auch das nicht mehr, abgesehen davon, daß digitale
> Bitströme alles mögliche sein können und, wie z.B. Sebastian Lütgerts
> neuere Arbeiten zeigen, man jedes digitale Medium als jedes andere
> digitale Medium verpacken kann.

in wirklichkeit muss man viel genauer zwischen werkkategorien, bzw.
produktionsumfeldern unterscheiden, wenn man hier sinnvoll intervenieren
will. 
mir fällt dabei immer das beispiel aus dem open-archive diskurs ein: der
kunsthistoriker der zwei jahre alleine in spanischen bibliotheken zubringt
um als ergebnis eine dreihundertfünfzig seiten arbeit über velazquez als
porträtmaler zu produzieren, hat ein anderes verhältnis zu seinem werk als
der mathematiker der für irgendein kniffliges problem einen möglichen
lösungsweg präsentiert, und sehnsüchtig auf das feedback seiner kollegen
wartet. 
selbst der begriff „die wissenschaft“ macht also in unserem zusammenhang nur
bedingt sinn. und für lyriker, werbefilmer, und kartographen ist das alles
noch einmal ganz anders. und es hilft dabei nicht wirklich weiter, dass die
produkte ihrer arbeit jeweils durch nullen und einsen dargestellt werden
können.

wir werden nicht drum rum kommen, die jeweiligen felder der
wissensproduktion mit den ihnen eigene produktionsbedingungen zu
analysieren, und jeweils adäquate lösungsvorschläge zu erarbeiten, die im
endeffekt eine sinnvolle informelle balance im umfeld digitaler netze
garantieren. 

lg thomas thaler



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