P2P-Steuer fuer's Internet? (was: Re: [wos] Nice Berlin
Declaration coverage)
Felix Stalder
felix at openflows.org
Mon Jul 5 16:48:44 CEST 2004
Florian Cramer:
> Was Lessig in seiner Rhetorik unterschlägt, ist, daß mit einer
> Filesharing-Flatrate mitnichten der von ihm gefeierten freien
> Kreativität geholfen wäre, sondern im Gegenteil nur klassischer
> Couchpotato-Konsum und Dateisauger-Mentalität gefördert würde. Denn am
> urheberrechtlichen Status der im Netz getauschten Werke würde sich ja
> auch bei der Flatrate nichts ändern. Der Remix des White Album und des
> Black Album zu einem Grey Album bliebe illegal.
Die beiden Aspekte haben, streng genommen, nichts miteinander zu tun. Die
Kompensation ist, in weiten Teilen, unabaengig von der Lizenz, unter der das
Werk vertrieben wird. Es wuerde den UrheberInnen also erlauben, unabhaengig
von oekonomischen Ueberlegungen zu entscheiden, ob sie derivative Werke
erlauben wollen oder nicht. Heute ist es doch so, dass wenn man solche
Werknutzungen zulassen will, dann muss man auf Kompensation verzichten, wenn
man nicht um traditionellen Schema verbleiben will. Die Frage ist nun, ob mit
dem Wegfallen der oekonomischen Komponente sich der Anreiz, GPL-artige
Lizenzen fuer expressive Werke zu waehlen, vergroessern oder verkleinern
wuerde. Meine Vermutung ist, dass er sich ehr vergroessern wuerde, obwohl man
das Kontrollbeduerfnis von KuenstlerInnen nicht unterschaetzen sollte.
Stefan Merten:
> Nun liegt mir natürlich nicht daran, überhaupt ein Kompensationssystem
> zu entwickeln. Nach meiner Überzeugung ist ein zentrales
> Erfolgsgeheimnis Freier Software, dass es dieses Kompensationssystem
> *eben nicht* gegeben hat. Jegliches Kompensationssystem kann aus
> meiner Sicht also nur kontraproduktiv sein
Ja, die geldfreie Gesellschaft. Eine alte und erwuerdige Utopie, aber leider
eine ausgesprochen duerftige Sicht auf Freie Software, die, ironischerweise,
von Eric S. Raymond popularisiert wurde. Freie Software ist genausowenig
kompensationsfrei wie wissenschafliche Forschung ohne Geld auskommt, auch
wenn ich mir aus dem online Katalog Artikel runterladen kann.
Aber das ist eh die falsche Diskussion. Die Produktionsmethode der Freien
Software ist auf expressive Werke nicht anzuwenden. Die
Produktionsbedingungen, dafuer sollten doch gerade Marxisten sensibilisiert
sein, von Musik und von Software sind nicht die selben. Deshalb muss man sich
fragen, innerhalb welcher Strukturen kann eine Wissensallemde auch in diesen
Bereichen funktionieren? Sicher nicht via GPL. Ist gibt sehr gute Gruende
weshlab Wissenschafliche Artikel nicht unter der GPL publiziert werden.
> Mein Weg wäre eher - aber da sind wir uns wahrscheinlich im Ziel
> grundsätzlich einig -, Kompensationssysteme ganz überflüssig zu
> machen, weil eben auch die Güter ohne Kompensation zur Verfügung
> stehen. Freie Software leistet das schon und schafft so einen Teil der
> Notwendigkeit eines Kompensationssystems ganz praktisch ab.
Nein, sind wir uns nicht. Geld ist nicht per se schlecht. Das ist eine
Fetischierung von Geld wie es sonst nur noch kapitalistische Fundamentalisten
vornehmen, fuer die die Monetarisierung gesellschaftlicher Beziehungen per se
postiv ist.
Ausserdem ist es faktisch ganz einfach falsch, dass freie Software die
Notwendigkeit eines Kompensationssystems abschafft. Das stimmt nur fuer die
verschwident kleine Menge von gutausgebildeten Heimanwendern. Soviel ich mich
erinnern kann, ist der Prozess, in die Verwaltung der Stadt Muenchen auf
Linux umsteigt nicht umsonst, sondern kosten einen zweistelligen
Millionbetrag? Warum? Weil gratis runterladen und Selbsentfalten hier einfach
nicht funktioniert.
Ich will damit nicht die innovative oder transformative Kraft, die hinter der
GPL und der Freien Software steckt, runterspielen, aber Stefan's
Argumentation wiederspricht jeder beobachtbaren Wirklichkeit.
> Und ich glaube, dass mit einer Flatrate die Freie Software niemals
> abgehoben wäre.
Das kann wohl sein, aber niemand schlaegt eine Flatrate fuer Software vor. Wie
gesagt, sogar Stallman, weiss Gott nicht ein Mann der leichten Kompromisse,
macht eine klare Unterscheidung zwischen expressiven und funktionalen Werken.
Fuer eine gewissen Klasse funktionaler Werke funktioniert das Freie Software
Modell hervorragend (wenn auch immer staerker integriert in eine
Kapitalistische Dienstleistungsgesellschaft). Aber fuer expressive Werke ist
die einzige Innovation auf der Ebene der Distribution, bis jetzt.
Felix
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