[wos] (Fwd) [edri-ip] Nice Berlin Declaration coverage

Florian Cramer cantsin at zedat.fu-berlin.de
Sat Jun 26 21:32:52 CEST 2004


Am Samstag, 26. Juni 2004 um 16:18:53 Uhr (+0200) schrieb Volker Grassmuck:
 
> > doch: Will man das wirklich? 
> 
> das dagegen ist eine relativ dumme Frage, unstellt sie doch, das 
> "man" da etwas getan hat, ohne zu wissen, was "man" wirklich will. 

s/man/wir/g

> > Ist das die Schlußfolgerung aus fünf Jahren Wizards of OS? 
> 
> eine maßlose Übertreibung. Die Berliner Erklärung ist nie als 
> Kulminationspunkt von 5 Jahren WOS gedacht gewesen. 

Ist aber, soweit ich es überblicken kann, das einzige, was bei der
insgesamt mageren Presseresonanz of die WOS3 in den Medien
hängengeblieben ist.

> > Der konservative Blickwinkel: Welche digitalisierten Informationen soll
> > solche eine Filesharing-Flatrate einschließen und welche nicht? Was ist
> > z.B. mit unfrei lizenzierter Software? Soll die Flatrate auch über das
> 
> damit sind wir mitten in der Debatte. In der Tat ist es bislang so 
> diskutiert worden, dass Software nicht eingeschlossen werden soll. 1. 
> aufgrund der von Content verschiedenen Produktions-, Distributions- 
> und Nutzungbedignungen. 

Und eben genau dieses Content-Denken halte ich für antiquiert. Wie z.B.
geht man mit einem generativen Musikstück um, das selbst ein
Softwareprogramm ist? Genau in dieser Hinsicht hätten die WOS, mit ihrer
Kompetenz in den Künsten, den Juristen und Politikern mal kräftig auf den
Schlips treten sollen.

Verstehe meine Kritik daher bitte als Selbstkritik! Ich äußere mich
ja nicht als Externer, sondern als jemand, der die WOS seit Nr.1 in
Teilen mitkonzipiert hat (einschließlich ja des Mottos der diesjährigen
Veranstaltung).
 
> > werden.) Vielleicht auch Tageszeitungen, wenn jemand z.B. die
> > Öffentlichkeit an seiner digital abonnierten FAZ per P2P teilhaben
> > lassen will? 
> 
> Text und Bild sehen die meisten als einzuschließen.

Eben. Und dann kreiert man ein Faß ohne Boden. Und wir kriegen auf
diesem Weg u.a. noch die Rundfunk- und Telefonanschlußgebühr für jeden
am Netzwerk hängenden digitalen Gerät.

Mittlerweile scheint es mir ein plausibles Szenario, daß Telefone,
Fernseh- und Radiosender in ihrer jetzigen Form bald verschwinden,
früher oder später alle Kabel und Frequenzspektren auf
TCP/IP-Datenströme umgestellt werden und "Fernseher", "Telefone" etc.
nur noch spezialisierte Internet-Appliances sein werden. Auch bei den
Tageszeitungen und Zeitschriften sehe ich eine Zukunft nur noch in
erheblich reduziertem Bedeutungs- und Umsatzumfang, weil sie sowohl als
tagesaktuelle, als auch als Interessengruppen-spezialisierte
Informationslieferanten schon heute überholt sind. (Z.B. lese ich kein
Computerzeitschriften mehr, weil es in der Regel bessere
Informationsangebote im Netz gibt und gerade erstere nur noch
zusammenschreiben, was im Netz vier Wochen vorher zu lesen war.) 

Die Telefongesellschaften, Radio- und Fernsehsender, Verlage,
Schallplattenlabels werden sich dem anpassen müssen, oder sie sterben
eben aus (oder überleben in erheblich verkleinertem Umfang). Mit der
Filesharing-Flatrate offeriert man ein überflüssiges, verlängertes
Sterbegeld.

> > und sich die WOS in die merkwürdige
> > Sackgasse einer sterilen politischen Fachkonferenz manövriert haben, in
> > der Moglen und Lessig die Cheerleader spielen. (Und geraden diesen
> > Cheerleadern jedes - künstlerisch und intellektuell - verständiges
> > Widerwort gefehlt hat.)
> 
> Mh, steril und Cheeleader passt irgendwie nicht zusammen. "Sterile 
> politische Fachkonferenz" -- reden wir über dieselbe Veranstaltung? 

Eben, das war die Dissonanz. Erweckungspathos in letztlich
flachen und angreifbaren Propagandareden von Moglen und Lessig,
ansonsten eine dahinplätschernde politische Fachkonferenz. Dröge
Fachpanels, mit denen sich die WOS ziemlich weit von ihren
künstlerischen, kulturkritischen und hackerkulturellen Wurzeln entfernt
hat.  Naheliegende Selbstbefragungen, für die gerade die WOS als einzige
wirklich interdisziplinäre Konferenz zu Wissens- und Softwarefreiheit da
ist, fielen aus.  

Wie gesagt, diese Kritik gilt nicht zuletzt mir selbst, wenn ich z.B.
die von mir auf WOS1 und WOS2 moderierten Panels (eins zu "Open
Content", das Friedrich Kittler, Jeanette Hofmann, den Typen vom
deutschen Gutenberg-Projekt und Alexei Shulgin zusammenbracht, ein
retrospektiv vorausweisendendes Panel zu "Collective Intelligence" mit
Bo Leuf, dem Wiki-Koerfinder, und Robert Bui vom Luther
Blissett-Autorenkollektiv) mit meinen WOS3-Panels (einem reinen
Künstlerpanel und einem reinen Technikerpanel) vergleiche.

-F


-- 
http://userpage.fu-berlin.de/~cantsin/


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