[rohrpost] Warum Wikipedia schadet

Till Nikolaus von Heiseler till.n.v.heiseler at googlemail.com
Son Jan 4 20:31:18 CET 2009


Ich bin nun nicht dieser Meinung und halte Wikipedia
für eines der ganz wenigen wirklich gelungenen
Projekte des webs.

Hier nund as neoliberatistische Argumente
GEGEN freies Wissen:





---------- Weitergeleitete Nachricht ----------
Von: Sven Lewandowski <info at svenlewandowski.de>
Datum: 22. Dezember 2008 19:20
Betreff: Re: Re-entry - Wikipediaartikel
An: LUHMANN at listserv.dfn.de


Sehr geehrter Herr Sander,

liebe Liste,

in der Wissenschaft geht es ja nicht nur um hehre Wissenschaft und in
der Kultur nicht nur um hehre Kultur. So gibt es nicht nur Menschen,
die Wissenschaft ausschließlich als Berufung verstehen, sondern auch
solche, die Wissenschaft (oder Wissensvermittlung) als Beruf betreiben
und auch solche, die eben davon leben müssen.

Und die kulturelle, symbolische und ökonomische Entwertung des Wissens
durch Wikipedia u.a. trifft vor allem letztere. Warum soll man Geld
für Wissen ausgegeben, wenn man es umsonst haben kann? Und wie soll
man einen Lebensunterhalt durch Wissensverbreitung verdienen können,
wenn Wissen nicht auch ökonomisch und/oder symbolisch gewürdigt wird.
Ich denke der Niedergang des Brockhaus spricht in dieser Hinsicht –
nun ja: Bände.

Ich glaube auch, mit der Vermutung nicht falsch zu liegen, dass die
Produktion und Weitergabe von Wissen (zumal an anonyme Personen) ein
außerwissenschaftliches Anreizsystem benötigt – sei es Geld oder das
Versprechen von Reputation. Zweifelsohne gibt es Einzelpersonen, die
aus anderen Gründen oder Motivationen tätig werden, aber die reicht
m.E. kaum um so etwas wie ein Wissenschaftssystem oder nur ein
geregeltes System der Wissensvermittlung zu betreiben. Im Übrigen
scheint es mir auch kein Zufall zu sein, dass es offensichtlich gerade
nicht die jeweilige Fachöffentlichkeit ist, die Artikel für Wikipedia
schreibt.

Das alles impliziert noch kein Urteil über die Qualität von Wikipedia
(die ich als nicht sonderlich hoch bzw. zuverlässig einschätze), aber
mein zentrales Argument war ja auch die Entwertung des Wissens bzw.
der nicht nur, aber auch durch Wikipedia  hervorgerufene Eindruck,
Wissen dürfe nichts kosten und folglich müsste die Leistung jener, die
dieses Wissen produzieren und bereitstellen, auch nicht (ökonomisch)
honoriert werden.

Systemtheoretisch formuliert: Mir scheint, dass sich mit Wikipedia ein
System der Wissensgenerierung etabliert, das mit dem
Wissenschaftssystems allenfalls locker strukturell gekoppelt ist,
dessen Entwicklung für letzteres sich aber langfristig ebenso negativ
auf die Wissenschaft auswirken wird wie auf die traditionellen Medien.
Kurz gesagt: mir scheint Wikipedia eher so etwas wie ein Parasit…

Mit freundlichen Grüßen

Sven Lewandowski

P.S.: Als überaus anregend, wenn auch polemisch, habe ich folgendes
Buch zum Thema in Erinnerung:

Keen,A.,2008: The Cult of The Amateur. How blogs, MySpace, YouTube,
and the rest of today's user-generated media are destroying our
economy, our culture, and our values. New York/ London / Toronto/
Sydney/ Auckland: Doubleday.





Am 22.12.2008 um 16:07 schrieb Rudi Sander:

Lieber Frederik Weitz, Lieber Sven Lewandowski, lieber Franz Hoegl,
zwar habe ich den gepackten Koffer fast schon in der Hand, doch der Zug nach
Berlin fährt erst morgen früh:
Wie so oft (oder wie immer), habe ich impulsiv geantwortet; wenn Sie, Herr
Weitz, nun generell zustimmen, kann ich nur zufrieden sein, aber: inzwischen
habe ich die schöne, durch Dich, lieber Franz, vermittelte Vorlesung von
Norbert Boltz in Ruhe angehört. Zwar brauche ich danach meine grundsätzliche
Auffassung nicht ändern oder bedeutend einschränken, ich muss aber hier
sofort den Anlauf nehmen, und mich bei Ihnen, lieber Herr Lewandowski,
entschuldigen, falls meine viel zu schnelle und zu kurze Bemerkung sie
verletzt haben könnte. Das läge mir vollkommen fern.
Nach den Ausführungen des Norbert Boltz zur Differenz
Autorität/Authentizität in Netzwerken brauche ich hier nur noch zu bemerken:
d'accord. Wie alle Hilfsmittel: Auch Wikipedia will gekonnt benutzt sein.
Mancher Schüler oder Student mag da gewiss ein nachweisbares Manko haben,
wenn er eine gedankenlos kompilierte Arbeit abliefert, die inhaltlich sofort
und umfassend auf WIKIPEDIA abstellt, ohne dass man spürt, es sei bei der
gedanklichen Kombination auch ein wenig reputationsgestützte Methodik mit
eingeflossen. Und der Referent Boltz, nachdem er ausführlich den
gedankengebärenden Netzwerkmechanismus dargestellt, gebilligt und gelobt
hat, er hat abschliessend auch unwiderleglich klar gemacht: Der Mensch, als
Vorbild, Leitbild und hinweisend helfender Meister ist nun einmal - für den
willigen Schüler - unverzichtbar.
Mit weihnachtlichen Grüssen von Rudi K. Sander: 65307 Bad Schwalbach;
www.sinnweltentheorie.de hier: BLOG



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Diskussionsforum zur soziologischen Systemtheorie Niklas Luhmanns
[mailto:LUHMANN at LISTSERV.DFN.DE] Im Auftrag von Frederik Weitz
Gesendet: Montag, 22. Dezember 2008 15:05
An: LUHMANN at LISTSERV.DFN.DE
Betreff: Re: AW: Re-entry - Wikipediaartikel
Liebe Liste!
Wikipedia hat ein Problem, und da muss ich in gewisser Weise Herrn
Lewandowski recht geben. Ich kämpfe zum Beispiel seit vier Jahren immer
mal wieder um einen bestimmten Artikel, den ich geschrieben hatte und
der zum Teil dermaßen verunstaltet wurde, dass ich ihn komplett neu
eingestellt habe. Derzeit möchte mich ein Mitautor gelöscht wissen, der
zum Beweis meiner Untauglichkeit auf ein philosophischen Wörterbuch aus
dem Jahr 1904 [sic!] hinweist. Dabei behandelt mein Artikel vorrangig
einen psychologischen Aspekt.
Nichtsdestotrotz gebe ich Herrn Sander insgesamt recht. Wikipedia ist in
vielen Artikeln sehr brauchbar. Über die Kontingenz des Wissens brauchen
wir uns in dieser Liste nicht weiter zu unterhalten. Dass viele
Studenten heute weder eine brauchbare Methodik noch eine entsprechende
Arbeitshaltung besitzen, kann nicht das Problem von wikipedia sein.
Und immerhin gibt es Diskussionsseiten und Admins, und der eine oder
andere der Admins und Mitbenutzer geht gestärkt und differenzierter aus
einer solchen Diskussion hervor. Machen wir in der Liste etwas anderes?
Schöne Weihnachten wünscht
Frederik Weitz


http://www.SvenLewandowski.de
info at SvenLewandowski.de






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Book: http://www.formatlabor.net/html/Medientheorie-fuer-Kuenstler.htm
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