Re: [rohrpost] Tagung: Was ist ein Medium? - Vorträge online
Till Nikolaus von Heiseler
Till_N_v_Heiseler at web.de
Die Mar 7 16:16:57 CET 2006
Lieber Florian,
das finde ich jetzt aber nicht so ganz fair, die polemischen Stellen, die
ja gerade im weiterem Textverlauf relativiert und nur als mögliche
Perspektiven angeführt werden, aus der mail herauszureißen und
nur darauf zu antworten!
In der mail (http://coredump.buug.de/pipermail/rohrpost/2006-March/009199.html)
heißt es ja gerade:
„Das Anführen dieser beiden Polemiken soll deutlich machen, dass die
Unterscheidung auf der Ebene des Motivs unabhängig davon ist, wie man sich
dazu positioniert und auf welche Seite man sich stellt. Um diese
Unterscheidung differnziert beschrieben zu bekommen, würde es also gerade
darum gehen, diese Unterscheidung unpolemische zu ziehen und zu fragen:
Aus welchem ökonomisch-motivischen Kontext wird die Frage nach dem Medium
gestellt?“
Angesprochen ist nicht etwa die ontologische Differenz „Wissenschaftler“ /
„Freier Denker“ oder Brotdenker/Hobbydenker what ever... , sondern die
Differenz zweier Diskursformate.
Diese Differenz fruchtbar werden zu lassen, ist womöglich schwierig und setzt
sich sicherlich der Abstrafung durch jene aus, die ja schon alles versucht und
hinter sich haben.
Und es setzt natürlich voraus, dass eben die Polemik überwindbar ist, die in
der mail ja gerade zum Zwecke dieser Überwindung pointiert wird.
Fragen, die wir stellen wollen:
- Warum ist die Nettime-Publikation nicht zustande gekommen?
- Gibt es die Möglichkeit, Mailinglisten und Wikis oder andere Tools mit
Publikationsvorhaben zu verbinden?
* Zur Transparenz des Selektionsprozesses bei Open calls
* Als Instrument des Diskurses (Diskussion einzelner Beiträge über
Mailinglisten, Kommentieren der Beiträge im Wiki)
* Um Kontexte im Buch mit zu distribuieren, wie weitere Texte, Audio- und
Videotracks
* Um in experimenteller Weise neue hybride wissenschaftliche Formate
zu entwickeln
These: Würde am Anfang ein konkretes Ziel definiert, beispielsweise
„Publikation plus Internetarchiv“, und würden am Projekt Personen teilnehmen,
die über Publikationserfahrung verfügen (denn ein Tool ist ja kein Wunderding
und deshalb werden unter experimentellen Bedingungen wahrscheinlich auch
nur jene publizieren können, die dies auch vorher schon konnten), könnte
in vielversprechender Weise experimentiert werden, eben weil es ein Motiv gibt.
- Könnte man hier nun eine Struktur inszenieren, in der der Diskurs in Kontakt
kommt mit konkreten künstlerischen und/oder medienaktivistischen Projekten?
- Könnte man nun die im Diskurs produzierte Datenmenge mit bestimmten
wohldefinierten Regelsätzen weiter verarbeiten (beispielsweise: Skripten
der Diskussionen, Ausschreiben durch die Sprechenden, Endredaktion durch
einen Lektor)?
Natürlich muss man sich auch vor Augen führen, dass Theorieentwürfe nicht
im Gespräch und im unmittelbaren Diskurs entstehen, sondern eher durch
jahrelange genaue Textarbeit, also gerade durch das Aufschieben Kommunikation.
Dass aber eben die Distributionsform im einsamen Schreiben antizipiert wird
und dadurch auf das - sagen wir mal - „Denken“ zurückwirkt. Da nun aber ein
im Speichermedium imaginierter Adressat und ein tatsächlicher Rezipient
auseinander fallen, könnte mit der Adressatenimagination gestalterisch
gearbeitet werden. Neue Formen der Distribution zu schaffen, berührt also
auch dann, wenn in ihnen nicht kollaboriert wird, die Theorieproduktion.
Welche Distributionsformen wären für die PRODUKTION von Theorie fruchtbar?
Glück zu allen!
tnvh
Florian Cramer <cantsin at zedat.fu-berlin.de> schrieb am 06.03.06 22:05:01:
>
> Till:
>
> > Zwei DiskursFORMATE stehen sich nun gegenüber
> [...]
>
> > Auf der einen Seite stehen die Medientheoretiker,
> [...]
>
> > auf der anderen Seite steht der Diskurs in einer Mailingliste und in
> > einem Wiki
> [...]
>
> > Diesem Berufsdenken der „Brotdenker“ (Adorno) könnte man nun das
> > Konzept einer „frei schwebenden Intelligenz“ (Mannheim)
> > gegenübersetzen
> [...]
>
> > Umgekehrt könnte man in die andere Richtung polemisierend die gleiche
> > Unterscheidung treffen und von Wissenschaftlern und Hobbydenkern
> > sprechen
> [...]
>
> Das kann man doch alles tiefer hängen. Schon immer gab es Konferenzen
> und anschließende Kritiken oder Kommentare in Zeitungsartikeln. In der
> heutigen Zeit gesellen sich eben Mailinglisten und Websites zu den
> kommentierenden Stimmen hinzu.
>
> Im übrigen stimmt Deine Gleichung nicht ganz. Nicht alle
> Konferenzsprecher waren Berufswissenschaftler, sondern Wolfgang Hagen
> ist im Hauptberuf Rundfunkredakteur. Harald, der hier auf der
> Mailingliste geantwortet hat, hingegen arbeitet als Wissenschaftler an
> der Frankfurter Universität. Wolfgang Hagen ist übrigens das beste
> Beispiel, weshalb eine institutionelle Unterscheidung von
> "Wissenschaftler" und "Hobbydenkern" dem, der sie trifft, ein geistiges
> Armutszeugnis ausstellt.
>
> -F
>
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> gopher://cramer.plaintext.cc
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