[rohrpost] kunst
Stefan Heidenreich
stefan.heidenreich at rz.hu-berlin.de
Son Feb 13 02:31:51 CET 2005
die autonomie-diskussion ist ein paar jahre her. wichtiger ist
vielleicht zu sehen, welche widersprüche und grenzen das label "kunst"
in der praxis mit sich bringt.
>>will hier jemand die autonomie der kunst retten?
> Ich. Aber nicht die Pseudo-Autonomie von Museumskunst,
es ist ein altes paradox, dass gerade die kritische, die
(re-)politisierende kunst sich am ehesten als staatskunst finanziert.
wie schlagen die formalien der antragskunst auf deren inhalte durch? wie
verhalten sich die rituale am zweiten "markt" (anträge, jurys) zu denen
am ersten (messen, sammler)?
und zur netz-kunst (grob gesagt): weist das label "kunst" nicht den
falschen weg, zu den Kunst-institutionen und deren falscher
historisierung - wobei die entscheidenden entwicklungen im netz anderswo
stattfinden, und die (netz)kunst sie nur zweitverwertet und
institutionell anbindet?
> Der Produktionsstandard mag feudal sein, er paßt jedoch ausgezeichnet in
> den Kapitalismus. Von allen Künsten ist die bildende Kunst die letzte,
> die noch Unikat-Objekte produziert und deshalb als spekulative,
> potentiell hochprofitable Geldanlage taugt.
kapitalistische kulturindustrien vermarkten technisch reproduzierbare
medien. wenn man sich die umsätze anschaut, ist kunst marginal. dass die
ökonomie der reproduktion, die mit den medien gross wurde, nun endlich
beginnt zusammenbrechen, ist das eigentlich spannende kulturelle ereignis.
>>>Kunst ist nicht mehr in der Lage, gesellschaftliche oder politische Fragen
>>>aufzufangen, da die internen Differenzen des Feldes keinen öffentlichen
>>>Widerhall finden.
>
> Das gilt zumindest für jene Art von pseudokritischer
> Ausstellungskunst, wie sie z.B. in "October" und "Texte zur Kunst"
> verhandelt wird. Und nichts belegt Stefans o.g. These besser als die
> gegenwärtige rot-grün subventionierte Gespensterdebatte über eine
> "Repolitisierung der Kunst".
ich würde es so hart nicht mehr formulieren. Es stimmt zwar, dass kunst
dazu tendiert, sich themen "dekorativ" anzueignen. aber es geht auch
anders.
> Man muß hier differenzieren
> zwischen dem Diskurs und den Institutionen der Kunst einerseits, sowie
> der Kunst, die außerhalb des institutionellen Betriebs praktiziert und
> als solche wahrgenommen wird.
aber dann müsste diese Kunst auf ihr "ausserhalb" achten, und sich nicht
umstandslos dem alten betrieb und seinen regeln andienen.
> Daß ihr Betrieb in einer Periode von ca. 1965 bis ca. 1985
> zeitgenössische künstlerische Tendenzen halbwegs zu rezipieren und
> integrieren vermochte, ist das eigentliche Wunder.
du meinst: kulturelle, technische, gesellschaftliche Tendenzen. Dann
sehe ich es ziemlich genau so.
Stefan
> -F
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