[rohrpost] Retro-Visionen, Graz, 25.05.
Krystian Woznicki
krystian@snafu.de
Wed, 22 May 2002 23:38:42 +0200
Konferenz: Flashback, Remix, D=E9j=E0-vu?
Retro-Visionen in der aktuellen elektronischen Kultur
Sa 25.05.02 | 17:00
Neue Galerie/Spiegelsaal
Sackstrasse 16
A-8010 Graz
Gut zehn Jahre ist es her, dass Techno und die neuere elektronische Musik=20
in den Mainstreamkanon einzuflie=DFen begonnen haben. Gut zehn Jahre auch,=
=20
dass diese Bewegung, die lange Zeit mit der Ideologie der=20
Geschichtslosigkeit und des Anti-Narrativen kokettierte, ihre eigene=20
Geschichte schreibt. Seither ist Techno, im weitest m=F6glichen Sinn=20
verstanden, zu einem ma=DFgeblichen Paradigma der Gegenwartskultur geworden.=
=20
War zuvor der elektronischen Kunst, meist sozial abgeschottet und=20
technizistisch motiviert, eine fr=F6hlich-avantgardistische Vorreiterrolle=
=20
zugeschrieben worden, so hat sich in der letzten Dekade ein gro=DFfl=E4chige=
r=20
Umbau, und vor allem eine kontextuelle Erweiterung, hin zu einer breit=20
aufgef=E4cherten elektronischen Kultur vollzogen.
Viele Mythen, die dieses neue Feld zentral zu kennzeichnen schienen,=20
mussten seither revidiert werden: Autorlosigkeit, Anonymit=E4t oder die=20
Enthierarchisierung von High und Low sind einige dieser Mythen, die=20
keineswegs au=DFer Kraft gesetzt wurden, ganz sicher jedoch=
Neuformatierungen=20
erfahren haben. So hat die elektronische Musik heute selbst einen=20
weitgehend unverr=FCckbaren Kanon - sie, die einst antrat, jegliche Form von=
=20
Kanonisierung und Geschichtlichkeit grundlegend aus den Angeln zu heben.
Sieht man sich heute um, so wird diese grundlegende Geschichtlichkeit kaum=
=20
noch - sei es durch euphorische Zukunftsorientiertheit, sei es durch=20
=FCbertriebene Gegenw=E4rtigkeit - zu maskieren versucht. Ganz im Gegenteil:=
=20
Die elektronische Kultur scheint selbst die R=FCckgriffe auf Sound-Archive=
=20
und Proto-Electronica-Genres in dem Ma=DFe zu forcieren, in dem die Speicher=
=20
der Vergangenheit immer leichter digital verarbeitbar werden. Egal ob in=20
Form von wiederverwendeten Sound-Partikeln, Sound-Signaturen, umfassenden=20
Stil-Vorlagen oder kulturellen Blaupausen: Das Zur=FCckgreifen auf Modelle,=
=20
die irgendwann einmal zukunftsweisend bzw. als ihrer Zeit voraus=20
erschienen, dominiert heute weite Teile dieser Kultur.
Grund genug, um ganz konkret zentrale Episoden aus der Vorgeschichte=20
heutiger Electronica aufzurollen und auf ihre latente Aktualit=E4t hin zu=20
scannen. Grund genug aber auch, um die scheinbare Zeitlosigkeit vieler=20
=BBtechnoider=AB Sounds zu hinterfragen bzw. bestimmte Erfolgsmuster hinter=
=20
aktuellen Produktionen, die sich ganz bewusst auf einen zeitlich=20
verschleierten Retro-Modernismus st=FCtzen, kritisch zu beleuchten.=20
Schlie=DFlich auch Grund genug, um nach der jeweiligen Eigenart solcher=20
R=FCckgriffe - als spezifische Formen einer =BBNostalgie f=FCr die=
Gegenwart=AB -=20
zu fragen.
Treibt die elektronische Musik der Gegenwart in Richtung einer alles=20
nivellierenden kulturellen Amnesie, die sich als unbeschwertes, aber auch=20
folgenloses Hier-und-Jetzt-Gef=FChl breit macht? Tr=E4gt ein =DCberschuss an=
=20
Referenzen zur gesteigerten Wertsch=E4tzung f=FCr Vergangenes, oder blo=DF=
zu=20
einem schnelleren Vergessen bei? Wird der =BBGeschichtsballast=AB einer=
Kultur=20
vielleicht gerade dadurch neutralisiert, dass er st=E4ndig und =FCberall, in=
=20
kleinste Partikel gesprengt, wieder auftaucht, oder zum Auftauchen gebracht=
=20
wird? Oder bahnen sich heute nur jene Str=E4nge avancierter Musik den Weg=
ins=20
Zentrum der Aufmerksamkeit, die ihrer Zeit so weit voraus waren, dass sie=20
erst allm=E4hlich vom Lauf der Geschichte validiert werden?
Eingezw=E4ngt zwischen 1979 und 2019, stellt sich schlie=DFlich die Frage,=
wie=20
zeitbezogen die Musik der Gegenwart tats=E4chlich sein kann.
Teilnehmer:
Martin B=FCsser (Testcard, BRD)
Martin B=FCsser wurde 1968 geboren und studierte vergleichende=20
Literaturwissenschaften, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft. Er=20
arbeitet als freier Autor und Journalist u.a. f=FCr Jazzthetik, taz,=
Konkret,=20
INTRO und junge Welt. Seit 1995 ist er Mitherausgeber der Buchreihe=20
"Testcard - Beitr=E4ge zur Popgeschichte".
Tom Holert (Institute for Studies in Visual Culture, BRD)
Tom Holert ist freier Kulturwissenschaftler und Journalist. Von 1992-1995=20
war er Redakteur bei Texte zur Kunst, von 1996-1999 Mit-Herausgeber von=20
Spex, von 1997-1999 Professor f=FCr Kultur- und Medientheorie an der Merz=20
Akademie, Stuttgart. Im April 2000 gr=FCndete Holert mit Mark Terkessidis=
das=20
Institute for Studies in Visual Culture (isvc) in K=F6ln.=20
Buchver=F6ffentlichungen: K=FCnstlerwissen (1998), Mainstream der=
Minderheiten.=20
Pop in der Kontrollgesellschaft (Herausgeber, mit Mark Terkessidis),=20
Imagineering. Visuelle Kultur und Politik der Sichtbarkeit (2000).
Krystian Woznicki (Berliner Gazette, BRD)
1991 - 1998 pursues curatorial projects in Europe, Mexico and Japan within=
=20
the context of art and film, such as a series on young Japanese cinema at=20
Deutsches Filmmuseum Frankfurt (1997) and an exhibition by German artists=20
Maroan el Sani and Nina Fischer at the Metropolitan Museum of Photography=20
in Tokyo (1998). 1995 - 1998 works as correspondent and editor for Spex=20
magazine in Tokyo and works as a columnist for Japan Times and Wired Japan.=
=20
1999 founds the Berliner Gazette, a weekly electronic mini-newspaper for=20
social issues and contemporary culture. Is currently based in Berlin and=20
researches on the juncture of new media, arts and architecture with a focus=
=20
on the convergence of Pop and New Economy.
Michaela Schwendtner (Club Jade, A)
1995-1996 betreiben des offspace 'jadengasse' (Konzerte elektronischer=20
Musik - u.a. s.e.t.i./andrew lagowski, hafler trio, scanner, rehberg &=20
bauer, Ausstellungen, Filmprojekte). Seit 1998 "jade @ rhiz" (regelm=E4ssige=
r=20
monatlicher Programmpunkt im rhiz, programmierung von live- konzerten,=20
djing). Weiters Arbeit mit Video (Musikvideos f=FCr radian, fennesz, pure,=
=20
general magic), Ausstellungsprojekte (gemeinsam mit oliver hangl, harald=20
hund, amina handke), Filmprojektionen/-installationen, Visualisierungen bei=
=20
Konzerten, Musikveranstaltungen (wuk, b.a.c.h.)
Anne Hilde Neset (The Wire, UK)
Anne Hilde Neset lebt in London und schreibt f=FCr das Magazin "The Wire".=
=20
Neben ihrer T=E4tigkeit als Journalistin ist sie eine H=E4lfte des DJ-Duos=
WWS.=20
Sie arbeitete als Kuratorin f=FCr renommierte Festivals wie Impakt (Utrecht)=
=20
FCMM (Montreal) oder Sonar (Barcelona).
Matthias Dusini (Falter, A)
Studium der Dt. Philologie und der Philosophie. Lebt in Wien, arbeitet in=20
der Kulturredaktion der Stadtzeitung Falter. Schreibt f=FCr=20
Kunstzeitschriften. Aufs=E4tze und Vortr=E4ge =FCber Kunst, Popularkultur,=
Design=20
und Architektur. Mitherausgeber von "Covering the Room", Wien 1998 und=20
"Azioni, Materiali - Performative Aspekte im Werk von Michelangelo=20
Pistoletto", K=F6ln, Innsbruck 1999.
Moderation:
Christian H=F6ller (Springerin, A)
Redakteur und Mitherausgeber der Zeitschrift "springerin - Hefte f=FCr=20
Gegenwartskunst"; freier Autor und =DCbersetzer; zahlreiche Publikationen,=
=20
u.a. in Texte zur Kunst, Spex und springerin; Redaktion des=20
springerin-Sammelbandes =BBWiderst=E4nde: Kunst - Cultural Studies - Neue=20
Medien=AB (Folio Verlag, Wien/Bozen, 1999); Kurator des Sonderprogramms =BBP=
op=20
Unlimited? Imagetransfers und Bildproduktion in der aktuellen Popkultur=AB=
=20
bei den 46. Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen, Mai 2000; Herausgeber=
=20
des Sammelbandes =BBPop Unlimited?=AB (Verlag Turia + Kant, Wien, 2000);=20
Online-Redakteur und Berater des Vereins Medienturm, Graz
http://www.medienturm.at