[wos] Dialogische Medientheorie / Medientheoretische Dialoge

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Fri Jan 28 23:23:58 CET 2005


Salut WOS-Liste,
wir arbeiten an einer kleinen Publikation, in der unterschiedliche
Medientheoretiker zu Wort kommen (Dirk Baecker, Wolfgang Ernst, Wolfgang
Hagen u.a.). In einem Gespräch mit Wolfgang Ernst, das Teil der
Publikation ist, kam es zu folgendem Dialog:

ERNST Medienarchäologie und Medienwissenschaft sind eigentlich permanent
damit beschäftigt, daran zu erinnern, welche anderen historischen und auch
gegenwärtigen Optionen in Medien angelegt sind. Das offen zu halten, also
im Kampf gegen die gesellschaftliche Praxis, die meist eine Verengung des
Mediengebrauchs ist, immer wieder daran zu erinnern, unermüdlich auch
daran zu erinnern, welche anderen Optionen auch angelegt sind in diesen
Medien. Das ist die Aufgabe einer Medientheorie. Brecht hat es ansatzweise
getan, Enzensberger hat diesen Versuch wieder aufgegriffen. Das gilt es
heute für Computerwelten ebenso zu denken, weil ökonomisch die
Multimedia-Industrie dabei ist, die Optionen der Vernetzung, des vernetzen
Mediums Computer einzuschränken, zu kompartmentalisieren, zu
privatisieren. Die elektronisch-technischen Optionen, die nach wie vor im
Internet angelegt sind, offen zu halten, das ist sowohl Aufgabe der
Medientheorie als auch Aufgabe der Free-Software-Bewegung...
HEISELER   Und der Medienkunst,
ERNST   Der Medienkunst auch. Da ziehen wir zumindest noch an einem
Strang, sowohl die Netzaktivisten als auch die Medientheoretiker. Hier
sind wir allerdings im Moment an einem kritischen Punkt, weil eben bis hin
zur Hardware die Versuche, das an sich offene Medium trotzdem zu
kontrollieren, im Moment an einem entscheidenden Punkt stehen. Ich bin
froh, dass die Europäische Kommission entschieden hat, dass Software
weiterhin nicht patentierbar ist. Mit einer interessanten Begründung, die
einen Unterschied macht zwischen Technik und Technizität. Die ganze Frage
lautet, was Software ist, ist das eine Technik, oder was ist das?
HEISELER   Oder ist es eine Formel?
ERNST   Oder ist es eine Formel? Und daran hängt wieder die Frage: Ist es
privatrechtlich patentierbar, oder nicht? Das ist so ein Moment, wo
wunderbar auch Medientheorie extrem praktisch wird, denn da bedarf es
plötzlich der Definitionen.

Liebe Liste, ich bin mir nicht so ganz sicher, ob wir beide, Wolfgang
Ernst und ich, hier überhaupt auf dem neusten Stand sind und ob wir die
Begriffe, die wir benutzen, auf die richtige Weise benutzen. Kann uns
jemand eine kleine Notiz dazu schicken, oder einen kleinen Text?
In der Publikation versuchen wir neue Formen der Zusammenarbeit zu finden.
Zunächst handelt es sich um geskriptete Gespräche, die von den Teilnehmern
ausgeschrieben werden. Alle anderen Texte sind mit diesen Gesprächen
verlinkt.

Wir würden uns sehr freuen, von euch zu hören.

Glück zu allen!
Till von Heiseler



-- 
"Das Werden ist immer minoritär" (Gilles Deleuze)
http://www.neuemethode.de


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