[wos] Contra-Studiengebuehren = Pro-Uni-Patente?
Volker Grassmuck
vgrass at rz.hu-berlin.de
Fri Jun 25 16:47:04 CEST 2004
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DIE ZEIT
27/2004
Patente Lösung
Wenn Universitäten ihre Erfindungen gut vermarkten, sind
Studiengebühren überflüssig. Sagt der Patentexperte Erich Hödl
Herr Hödl, können sich die Universitäten aus der Finanzmisere
befreien, wenn sie ihre Erfindungen patentieren lassen und richtig
vermarkten?
Zumindest können sie die Finanzmisere lindern. Wenn Unternehmen dafür
zahlen, dass sie Erfindungen und Ideen von Professoren nutzen, kann
sich das Budget einer Hochschule um bis zu fünf Prozent erhöhen.
Beispiele aus den USA zeigen das.
Das wäre ein stattliches Haushaltsplus für die Universitäten.
Ja, genauso viel bringen etwa Studiengebühren: Seit deren Einführung
in Österreich wird das Budget etwa der Technischen Universität Graz
zu gut sechs Prozent daraus bestritten. In Österreich zahlt jeder
Studierende seit einiger Zeit 730 Euro pro Jahr von ähnlichen
Summen ist auch in der Diskussion in Deutschland die Rede.
Gegen Studiengebühren gehen Studenten auf die Straße. Über Patente
als Einnahmequelle redet dagegen niemand. Warum?
Die Universitäten waren bislang nicht gezwungen, sich diese
Geldquellen zu erschließen. Professoren haben geforscht, ohne sich
Gedanken über die Vermarktung zu machen. Dabei sind Patente genauso
eine Dimension der Hochschulfinanzierung wie staatliche Zuweisungen,
Forschungsgelder der Wirtschaft oder Schenkungen. Ich bin gegen
Studiengebühren, spreche mich aber für die stärkere Nutzung von
Patenten aus.
Warum sträuben sich Wissenschaftler gegen diese Vermarktung?
Vielen Wissenschaftlern fehlt das Bewusstsein, dass Wissen ein
wertvolles Gut und damit handelbar ist. Hinzu kommt: Wenn Unternehmen
durch Drittmittel Forschungsprojekte finanziert haben, dachten sie,
sie hätten damit auch Zugriff auf alle Ergebnisse der Forschung. Das
ist falsch. Sie haben nur für das Forschungsprojekt gezahlt und nicht
für das ganze geistige Eigentum.
Wenn Unternehmen zusätzlich zahlen sollen, behindert das aber das
Wachstum. Das schadet der Gesellschaft, die die Universitäten
finanziert.
Wenn ein öffentliches Gut privatisiert wird und dafür dann Geld
zurückkommt, finde ich das nur gerecht.
Wie soll eine bessere Vermarktung funktionieren? Ein Professor ist
kein Unternehmer.
Bis vor einigen Jahren blieben die Rechte an einer Erfindung in
Deutschland wie in Österreich beim Forscher er konnte die Erfindung
selbst vermarkten, hat das aber nur selten getan. Dieses
Hochschullehrer-Privileg ist gefallen. Nun haben die Universitäten
das erste Aufgriffsrecht: Sie dürfen die Erfindungen patentieren und
lizenzieren lassen, müssen dies aber nicht. Die Vermarktung wird über
eigene Verwertungsagenturen organisiert. Der Erfinder soll in
Deutschland immerhin 30 Prozent der Einnahmen aus einem Patent
erhalten.
Was passiert, wenn ein Professor seine Erfindung nicht meldet,
sondern selbst vermarktet?
Professoren sind Beamte. Nebentätigkeiten sind nur unter strengen
Auflagen erlaubt.
Verwertungsagenturen sind mit großem Tamtam gegründet worden; große
Gewinne haben sie aber noch nicht eingefahren. Wann kommen denn die
ersten Millionen an den Hochschulen an?
Zehn Jahre wird das sicherlich noch dauern.
Warum so lange?
Man muss mehrere Kommunikationsprobleme lösen: Kleine und mittlere
Unternehmen, die keine eigene Forschungsabteilung haben,
interessieren sich besonders für Erfindungen aus Universitäten. Diese
Unternehmen wissen allerdings nicht, was an den Universitäten
geforscht wird. Umgekehrt wissen die Universitäten nicht, welche
Ergebnisse die Unternehmen benötigen. Zudem funktioniert die
Kommunikation innerhalb der Hochschule nicht: Hochschulleitungen
überblicken nicht, an welchen Erfindungen ihre Forscher arbeiten.
Damit diese Kommunikation klappt, soll man jetzt einen bürokratischen
Apparat aufbauen?
Man braucht keinen großen Apparat, sondern je Universität nur zwei so
genannte Aufgreifer, die überblicken, welche Erfindungen in nächster
Zeit anstehen. Um juristische Fragen, den Kontakt zu den Unternehmen
und die Anmeldung des Patents kümmern sich dann die
Verwertungsagenturen; dafür werden sie auch bezahlt.
In welchen Fächern erwarten Sie die höchsten Einnahmen?
In allen hochtechnologischen Bereichen, vor allem in der
Gentechnologie, aber auch in Bioinformatik, Nanotechnologie, Fahrzeug-
und Elektrotechnik.
Welche Summen können pro Patent hereinkommen?
Das ist sehr unterschiedlich. Ein Max-Planck-Institut in Deutschland
hat sich in den zwanziger Jahren ein Waschmittel patentieren lassen
und sich durch die Einnahmen über Jahrzehnte größtenteils selbst
finanziert.
Nano, Bio, Techno bildet die Universität der Zukunft nur noch
Ingenieure und Naturwissenschaftler aus, weil die wieder Gelder
einspielen?
Man muss berücksichtigen, dass Naturwissenschaften wesentlich teurer
sind als Buchwissenschaften. Aber auch dort muss man stärker
Drittmittel einwerben. Wirtschaftswissenschaftler nutzen etwa ihre
Kompetenz in Prognosen und Wirtschaftsprüfung nicht richtig aus. Da
kann noch viel Bewegung reinkommen.
Verursacht das nicht eine Kultur-Revolution an den Universitäten?
Früher ging es darum, Erkenntnisse zu gewinnen, Patente waren
Abfallprodukte. Heute geht es um die Verwertbarkeit des Wissens.
Ja, es ist ein Kulturunterschied entstanden. Den Forscher im
Elfenbeinturm gibt es nicht mehr.
Interview: Manuel J. Hartung
Erich Hödl, 64, war von 1991 bis 1999 Rektor der Universität
Wuppertal und danach drei Jahre lang Rektor der Technischen
Universität Graz. Jetzt berät er die Europäische Union in
Patentfragen
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