[wos] Content Flatrate usw.

Felix Stalder felix at openflows.org
Mon Jul 26 10:57:28 CEST 2004


Hallo Rasmus,

> Das grš§te Problem mit der Deklaration war, meiner meinung nach, nicht
> das sie ein System fŸr PauschalvergŸtung vorschlug (in gegenteil finde
> ich jedes Erweitern des "Gestaltungsraums" nur gut), sondern dass das
> ganze Verfahren ist in umgekehreter Reihenfolge passiert.
> Statt ein Diskussion erst zu erwachen und das WOS als Arena dazu
> benutzen, kam nun die Deklaration erst (unmittelbar gefolgt von einer
> Petition, einem nationalistischen Stellungnahme, einer Kampagne etc.)
> -- weil WOS tatsŠchlich meistens wurde eine Plattform fŸr ein schon
> (von einige "copyright experts") festgelegten Text.

Ich sehe nicht unbedingt einen Widerspruch zwischen der Veroeffentlichung der 
'Declaration' und dem Beginnen einer laengeren Diskussion, die durchaus auch 
in andere Richtungen fuehren kann. Die 'Declaration' hatte ein ganz 
pragmatisches Ziel, naehmlich auf die Neuregelung der 
Verwertungsgesellschaften in der EU zu reagieren und dort diese Position 
einuzbringen. Um das zu machen, mussten wir uns an eine Deadline halten, die 
ganz knapp nach der WOS war. Die Erklaerung wurde auch durchaus noch 
veraendert im Anschluss an den Workshop. Allerdings gab sie natuerlich die 
Grundrichtung der Diskussion schon vor, das steht ausser Frage.

> Das ist wahrscheinlich das Grund fŸr die heutige Verwirrung Ÿber das
> Ziel des Flatrate-Vorschlags. Einerseits ist die Deklaration "ein
> Versuch, dem Argument 'es gibt keine Alternative zu DRM' einen halbwegs
> konkreten Vorschlag entegenzusetzen" [Felix Stalder, WOS-list, 30.6]
> oder "der Reform des europŠischen/deutschen urheberrechts zu
> verhindern, und das ganz konkret" [Thomas Thaler beschreibt die
> Stellungnahme von Privatkopie.net].
> Andererseits geht es doch um etwas grš§eres:  "giving more people
> control over their down destiny ... being able to make a living from
> what one likes to do. And the discussion about the flatrate is, in my
> view, a discussion about how to contribute to that." [auch Felix
> Stalder, Nettime, 17.7].
> Wir haben also mindenstens zwei verschiedene Ziele, eine Deklaration,
> und fast keine Diskussion. Nicht Ÿberraschend dass einige Dinge "auf
> verschiedenen ebenen aneinander vorbei geredet wird", wie Thomas Thaler
> ganz richtig notiert.

Auch hier sehe ich nicht einen grossen Widerspruch. Es geht einerseits um 
etwas konkretes, das ist negativ (kein DRM) und da treffen sich alle, und 
andererseits um etwas wages, das ist positiv (Foerderung innovativer 
Kulturproduktion jenseits von traditioneller Kunstfoerderung und Sozialstaat) 
da gehen die Meinungen auseindern. Der Wert des Flatrate proposals liegt 
sicherlich kurzfirstig im ersteren, und, laengerfristig, in dem sie eine 
Diskussion eroeffnet, im zweiteren. 


> Unbeachtet alle die praktische Problemen mit "content"-Abgrenzung und
> -Abwiegung, wŸrde eine europeische Flatrate-Kampagne eine
> problematische StŠrkerung von einige unterliegende PrŠmissen
> mitbringen. Das falsche Formel "Kulturproduzent = Urheber" ist ein. Ein
> andere ist wie das Reden Ÿber "Kompensation",  "EntschŠdigung" und
> "VergŸtung" andeutet, das mann hŠlt die Reproduktion des Kunsts als ein
> Verlust des KŸnstlers. ("VergŸten: j-m Geld zahlen, bes. weil dieser
> e-n Schaden od. finanziellen Nachteil gehabt hat Å j-d fŸr etw.
> entschŠdigen")

Ich finde diese Formel nicht so falsch und auch die Idee, dass jetzt alle 
KulturproduzentInnnen werden, ist wohl etwas techno-deterministisch. Nur weil 
es moeglich ist, auch einem Heimcomputer einen Film zu schneiden, heisst das 
doch nicht, dass alle das machen wollen, besoders nicht mit einem 
Oeffentlichkeitsanspruch. Die Grenzen sind sicher fliessender geworden, aber 
das sind sie auch in anderen Bereichen ohne dass das wirklich zu 
fundamentalen Veraenderungen gefuehrt hat (es gibt Leute, die reparieren 
Autos, es gibt Leute die fahren Autos aber reparieren sie nicht, und dann 
gibt es Leute, die machen beides.) Das Problem der Abgrenzung scheint mir 
philosophisch relevanter als soziologisch, das heisst, die Kategorien sind 
schwierig zu definieren, aber in der Praxis entstehen nicht all zu viele 
Probleme daraus.


> Armin Medosch formuliert ein wichtigen Aspekt: "die vorstellung, dass
> es produzenten gibt, auf der einen seite, und konsumenten auf der
> anderen, die vor allem 'herunterladen' wollen, sollten nicht das
> leitbild der diskussion sein ... es geht darum, dieses schema
> aufzubrechen". DafŸr betont er den freien Zugang zu Rohmaterial und das
> Recht zu umbearbeitung als wichtiger fŸr KulturproduzentInnen. Wie man
> dann Geld verdienen kann ist laut Medosch ein andere frage.
> DenkwŸrdig ist doch auch was Felix Stalder schreibt in seinem Einwand;
> es ist "wichtig, dass wir uns nicht die (verengte) Sichtweise der
> Lawyers zu eigen machen" durch eine †berbetonung der juridische
> Hindernisse. Weiter: "Ich sehe nicht wirklich ein, wieso
> Kulturproduktion irgendwie ausserhalb des 
konomischen stattfinden
> soll."
> Ich stimme všllig zu, and daraus besteht auch meine Kritik von vielen
> "free culture"-Ideologien. Modellen gebaut an einem Versuch, ein
> deutlicher Unterschied zwichen das 
konomische und das
> Politische/Kulturelle zu machen, ist natŸrlich nichts neues (Wurzeln
> bei Hegel et cetera). Historisch sind eine mehrheit von Linksideologien
> schwer davon geprŠgelt: von Sozialdemokratie, Leninismus und
> Surrealismus, via Habermas, bis zu viele "creative commies" und
> Šhnliche Copyright-Kritiker. Der Flatrate-Vorschlag versucht zwar diese
> Zweiteilung der Zivilisation zu verlassen -- aber nur mit dem
> Voraussetzen einer anderen Trennung zwichen Kulturproduzenten und
> -konsumenten. Das ganze scheint mir tatsŠchlich ziemlich gleich.

Unabhaengig davon, dass ich diese Trennung nach wie vor fuer Praxisrelevant 
halte, hat sie mit der Flatrate nicht wirklich was zu tun. Die Flatrate baut 
auf CC-style Lizenzen auf, die im Minimum eine weiterverbreitung der Werke 
erlauben. Ob der Urheber nun erlaubt, derivative Werke davon herzustellen hat 
mit der Flatrate nicht zu tun, sondern ist eine Entscheidung, die -- absolut 
zu recht, meiner Meinung nach -- dem Urheber ueberlassen wird. Die Flatrate 
verbindet eben top-down und bottom-up Elemente. Die Idee, jetzt ein 
umfassendes GPL Regime fuer alle Werkkategorien einzufuehren halte ich fuer 
dikatorisch.

> Wie man die škonomische Voraussetzungen fŸr freien Kulturproduktion
> verbessern kann, das finde ich auch das Zentrale punkt dieser
> Diskussion. Ich habe doch meine Zweifel, ob alle Formen von
> KulturproducentInnen wirklich so Šhnlichen škonomischen Interessen
> haben, dass ein monolitisches System fŸr "VergŸtung" Ÿberhaupt fšrdernd
> werken kann.
> Ein flatrate wŸrde eine Erhšherung der MonatsgebŸhren bedeuten -- auch
> fŸr uns Kulturproduzenten -- weil das "VergŸtung" nicht nur sehr
> ungleich verteilt wŸrde, aber auch sehr verspŠtet. Nichts zeigt dazu,
> dass es wŸrde sich verŠndern mit dem online-Flatrate. Also beruht es
> auf der Definition von "Kulturproduzent" ob es die škonomische
> Voraussetzungen fŸr Kulturproduktion verbessern oder verschlimmern
> wŸrde.
> FŸr KŸnstler die mit "Un-copyrightable art" (street art, net art,
> performance art, tanz usw.) arbeiten, und fŸr alle Arten von
> Live-Artisten (Musiker, Schauspieler, Tanzer...) wŠre das Flatrate
> zweifellos Kontraproduktiv. Auch fŸr Schriftsteller und traditionelle
> KŸnstler (z.B. Maler) wŸrde es wahrscheinlich nicht mehr als ein
> bi§chen hšhere Lebenskosten und weniger Geld bedeuten.
> Selbst wŸrde ich wahrscheinlich von eineim Online-Flatrate profitieren
> (ich arbeite zum Teil als Musiker und kriege schon jŠhrlich ein nicht
> unbedeutende Summe Geld vom schwedischen Gegenteil zum GEMA).

Ich denke nicht, dass man sagen kann, dass die Flatrate, nur weil sie die 
Internet-Breitband Anbindung verteuern wuerde, schlecht ist fuer alle 
KulturproduzentInnen, die selbst keine digitalen Werke vertreiben. 
Schliesslich wuerde sich fuer alle der Zugang zu digitalen Werken verbessern. 
Was gerade fuer Kunstler doch von Interesse sein koennte.

> Meine
> Musikerfreunden die hauptsŠchlich klassiches oder traditionelles musik
> spielen, hŠtte doch nichts mehr als teurere Internet-GebŸhre zu
> erwarten. Andere Bekannten von mir machen elektronische Musik auf
> semi-beruflichen Basis. FŸr sie sind funktionerende cracks zum Cubase
> und anderen proprietŠren Musik-Software ein sehr, sehr grš§er
> škonomische Frage als "VergŸtung".

Cracks etc wird es immer geben und auch die Software Industrie weiss, dass das 
so ist und es ist fuer die Industrie gar nicht schlecht, weil so Standards 
geschaffen werden. Ich persoenlich faende es super, wenn es MS schaffen 
wuerde, Piraterie voellig zu unterbinden. Am dem Tag wuerde 80% der 
Computernutzer weltweit auf OSS umsteigen, da bin ich ueberzeugt.

Aber die Frage stellt sich anders. Aehnlich wie DRM auch nicht filesharing 
100% unterbinden wird, aber wenn es moeglich ist, es wieder in den Untergrund 
zu draengen, wo nur 10% der Techno-Elite zugang haben, dann reicht das schon. 
Kein System muss perfekt sein, um zu funktionieren. Die Frage ist als nicht, 
was mit den 10%, die sich eh zu wissen helfen, passiert -- wie Stefan Merten 
sehr richtig bemerkt hat, ihn wird es nicht treffen -- sondern was mit den 
anderen 90%.

Felix

> PS
> War mein deutsch Ÿberhaubt verstŠndlich?  ;)

Klar, dein Deutsch ist nahezu perfekt!

 
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