[spectre] n0name newsletter #116
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Wed Jul 11 11:57:18 CEST 2007
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n0name newsletter #116 Mi., 11.07.2007 08:00 CET
ACHTUNG! Umlaute
*Inhalt/Contents*
1. Und die Sterne des neuen deutsch gefuehrten Europas sind wie
Schnuppen
2. Rezension von Sabine Nuss. _Copyright & Copyriot_ 20
3. Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Teil 76
30 KB, ca. 9 DIN A4-Seiten
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1.
Und die Sterne des neuen deutsch gefuehrten Europas sind wie Schnuppen
"PiratInnen und Piraterie waren extrem beliebt bei Kids und
Youngsters, waren ein weiteres prägendes farbiges Feature der Proteste
in Rostock. Während die Piraten der Karibik die Kassen der Kinos
füllen, treibt die Pirate Bay Hollywood mit ihrem kostenlosen p2p
Tauschservice in den Bankrott. Piraterie handelt traditionell von der
Herausforderung staatlicher Souveränität (dazu auch Marcus Redikker
und Hakim Bey) und dem Aufbau post-souveräner Formen der
Selbst-Regierung auf Basis von horizontaler Vernetzung und
Kanaken-Kameraderie: Tortuga als erste moderne autonome Zone. Der
Form treu wehte die Totenkopffahne auf vielen Zelten und bei allen
Aktionen, oftmals entweder pink auf schwarz oder schwarz auf pink.
Und St.Pauli Fußballfans aus Hamburg brachen mit ihren schwarzen
Totenkopf-Pullies in Massen über Rostock herein, um bei der Schlacht
dabei zu sein."
(Alex Foti: Nach dem Flaschen schmeißen an den Barrikaden zurück auf
den Webseiten der ketzerischen Linken
Pink, schwarz, piratisch: Eine Bestandsaufnahme von Rostock
in:
Date: Mon, 09 Jul 2007 20:53:26 +0200
From: Öffentlicher Verteiler der Gipfelsoli-Infogruppe
<gipfelsoli-l at lists.nadir.org>
Subject: [Gipfelsoli Newsletter] Heiligendamm)
Nach solcherlei Pipi Langstrumpf-Wunschdenken von einaeugigen Gruenen
(Alex Foti[1], Autor des ganzen Artikels[2], Politologe, kandidierte
2006 fuer die italienischen Gruenen) mit doppelter Augenklappe, die die
Ansage von z.B. Pirate Bay an Hollywood, jetzt mal das neue Geschaeft
endlich anzugehen, nicht verstanden haben, was klar nicht bedeutet,
dass Hollywood brennt, nach Bezugnahmen auf Hakim Bey und dessen
Robinsonade-Theoreme, wird einem bei soviel piratischem Seegang ohne
See beinahe etwas schlecht. Piraterie mag traditionell von der
Herausforderung des Staates handeln, Piraterie handelt aber
traditionell ebenso von ihrer eigenen Rekonvertierung zum Apparat
des Staates und dessen Konsolidierung mittels flexibilsierter
Methoden, die vom Ex-Gegner instrumentalisiert, oder nie gegen
dessen Prinzipien - hier dem Privateigentum - eingesetzt werden.
The Pirate Bay will sein 'eigenes Ding' ohne Begriff seines
Nichtautonomen Status und toent im personalisierten Interview
(www.stealthisfilm.com) in guter Hippie-Tradition von trotziger
Unabhaengigkeit inmitten des Ganzen. Der Suprastaat, der hier
anklingt, gegen den man agiere, dessen Kapital man aber symbolisch
mit den Konzernen verwechselt, ist u.a. und vor allem Europa, und
nichts destotrotz muss gerade Angela Merkel das Urheberrecht verbal
zu schuetzen versuchen: [3]
Die linken Linien kann man ziehen bis zu links-buergerlichen Projekten,
deren Vernetzung bis zur Springerin, den documenta 12-Rebellen und
dem eipcp - European Institute for Progressive Cultural Policies
respektive http://republicart.net gefoerdert vom EU Culture 2000
Programm (http://ec.europa.eu/culture/eac/index_en.html), wo man
als Kuenstler auf Kunst setzt[4], so wie der Baecker aufs Brot.
Auf eipcp findet man den Staat als Insignie, nur etwas re-designed:
http://eipcp.net/header_toplogo
_____
[1] Alex Foti http://static.flickr.com/74/153524512_ab3bbdcb94.jpg
[2] In der englischen Version hier http://transform.eipcp.net/
correspondence/1182944688
[3] ###didiers merkel###
[4] "... Die "organisierende Funktion" der Kunst (Walter Benjamin)
schafft sich neue Räume in den überlappenden Nachbarschaftszonen
zu politischem Aktivismus und Theorieproduktion. ...
(http://republicart.net/manifesto/manifesto_de.htm)
Susi Meyer
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2.
Rezension von Sabine Nuss. _Copyright & Copyriot_ 20
Auf Seite 72 war vom "Einfluss der Verwertungsindustrie" auf das
jeweilige nationale oder uebernationale (hier: europaeische) Recht
die Rede, so als ob Recht, Rechtsentwurf und Rechtssprechung, nach
kapitalistisch-demokratischer Art in der Gewaltenteilung unabhaengige
Groessen seien. Dem ist nicht so, steht doch etwa der neue Praesident
der Franzoeschen Republik Sarkozy unter "direktem Einfluss" der
deutschen Bertelsmann-Stiftung was den Entwurf zur EU-Verfassung
angeht. Spricht man nur mit Blick auf den Loybbismus ueber die inneren
Zusamenhaenge von Verwertung und die Durchsetzung derselben, verbleibt
man in der Anayse beim Sonnenstaat, wo sich Einflussnehmende hoeflich
um den Koenig scharten.
"geschützten Werken immer noch nicht verhindert werden könne, so dürfe
dies nicht zu Lasten der Urheber gehen, die ja bei einem Verbot der
digitalen Privat-kopie aus der Geräte- und Leerträgervergütung nur
noch wenig zu erwarten hät-ten: Würde man die Privatkopie verbieten,
gäbe es keine Rechtfertigung mehr für eine Geräteabgabe. Darüber
hinaus wäre dem Entwurf zufolge eine Regelung, die nur die analoge
Privatkopie zuließe, praktisch kaum durchsetzbar und den Ver-brauchern
nicht zu vermitteln:
„Ein solches Verbot würde die soziale Realität ignorieren und die
Autorität und Glaub-würdigkeit der Rechtsordnung untergraben. Digitale
Vervielfältigungsgeräte würden da-mit für überwiegend rechtswidrige
Zwecke angeboten und genutzt. (...) Im Interesse der Urheber ist daher
nach wie vor an der bewährten Regelung des Urheberrechtsgesetzes
festzuhalten, die (nicht zu verhindernde) private Vervielfältigung zu
gestatten" (Kopien brauchen Originale.de 2005b)."
Andauernde Rede lediglich von den _Interessen_ waere leicht
'irrefuehrend'. Einerseits steht das stete Interesse seitens der
Verwerter "kreativer Arbeit" einer Kantischen Interesselosigkeit an
den Dingen der Kunst entgegen und bringt sie zumindest monetaer auf
den Boden der Tatsachen, andererseits ist "Interesse" ein zu
allgemeiner Begriff, der die zwingend notwendige Bewegung der
Formation, die eben ihre Interessen durchsetzen muss, nicht
betrachten hilft, sondern zum Teil verdeckt. Interesse des
einzelnen Kapitals ist zuallererst den Profit moeglichst hoch zu
schrauben. Dreht einer an der selben Schraube, dann kommt es zum
sog. Interessenskonflikt.
"Die Gesetzesvorlage zum neuen Urheberrecht sieht damit auch vor, dass
die Pauschalvergütungen als Kompensation für die Privatkopie erhalten
bleiben. Nach Ansicht des Justizministeriums soll das System der
Einzellizenzierung und der Pauschalvergütung parallel bestehen
bleiben, da es sowieso noch Jahre dauern würde, bis sich
Kopierschutztechnologien durchsetzen.53
Auch speziell bezüglich der Praxis der Tauschbörsen wurde das
Urheberrecht verdeutlicht: Wenn sich jemand eine zulässige Privatkopie
seiner nicht kopier-geschützten Musik-CD macht und diese anschließend
unzulässigerweise im Internet zum Download anbietet, handelt es sich
um eine rechtswidrig genutzte bzw. unerlaubt veröffentlichte Vorlage.
Wenn aber für den Nutzer der Tauschbörse offensichtlich ist, dass es
sich um ein rechtswidriges Angebot im Internet handelt, darf er keine
Privatkopie davon herstellen. Auch hier wurde man zunächst den
Interessen der Industrie und Rechteverwerter nicht gerecht (Forum der
Rechte-inhaber 2004), denn Urheberrechtsverletzungen privater
Endnutzer sollten in einem bestimmten Rahmen explizit straffrei
bleiben. Sie sollten dann nicht kriminali-siert werden, wenn sie sich
im „Bagatellbereich" bewegen und nur dem privaten
_______________
53 Bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs verwies Zypries zum
Beweis auf den zweit-größten Musikkonzern der Welt, Universal
Music. Dieser habe seinen Kopierschutz kürzlich sogar wieder
abgeschafft, um den Kunden entgegenzukommen (Frankfurter
Allgemeine Zeitung 2004: 11). Frank Briegmann, Deutschland-
Präsident von Universal Music sieht das allerdings nicht so sehr
als Entgegenkommen. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung antwortet er auf die Frage, ob Universal auf den
umstrittenen CD-Kopierschutz weiterhin verzichten will: „Nein, wir
machen das nur vorübergehend wegen der Funktionsmängel der zur
Zeit verfügbaren Systeme. Sobald es einen zuverlässigen
Kopierschutz gibt, werden wir ihn auf breiter Front einsetzen"
(Briegmann in Theurer 2004b: 21).
73
Gebrauch dienen. Mittlerweile ist diese Bagatellklausel allerdings
gestrichen wor-den.54
Die Kämpfe um die Sicherung geistigen Eigentums bei Musikdateien
dauern zwar noch an, die hier dargestellte Entwicklung zeigt aber
die Richtung an, in die es geht. Auf ideologischem, rechtlichem und
technologischem Gebiet werden die Verwertungsschwierigkeiten bei
digitalen Gütern minimiert, die Technologie wird mit allen Mitteln
„eingehegt", so dass sich ein Markt für digitale Güter etablieren
kann. Bei proprietärer Software nun existiert zwar ein ganz ähnliches
Problem, wenn es als digitales Gut verkauft werden soll, auch hier
wird über Raubkopien geklagt und entsprechende Maßnahmen werden
ergriffen. Im Folgenden ist aber ausschließlich die sogenannte
Freie Software/Open Source Software von Interes-se, da diese immer
wieder als Beispiel für alternative und insofern subversive
Eigentumsformen zitiert wird.
2.4.2 Freie Software & Open Source
In den Anfängen der Computerindustrie in den späten 40er und frühen
50er Jahren war der Handel auf den Verkauf von Hardware und
technischem Support be-schränkt. Software wurde in dieser Frühphase
nicht in maschinenunabhängigen, sondern in relativ maschinennahen
Programmiersprachen geschrieben. Dadurch war sie nicht zwischen den
vielen, nicht standardisierten Plattformen austausch-bar. Erst Ende
der 60er Jahre, als die Plattformen stärker standardisiert wurden,
entstand langsam ein einheitlicher Markt für „packaged software".55
Von da an wurde auch Software zu einer eigenständigen Ware und damit
veränderte sich die Praxis der Weitergabe. Es war nun nicht nur
gängig, dass Software lizenziert wur-de, sondern es wurde bei der
Weitergabe einer Software auch der Quellcode56
_______________
54 Sietmann schiebt dies auf den Regierungswechsel, so treibe in der
zweiten Stufe zur Reform des Urheberrechts die schwarz-rote
Regierungskoalition im Urheberrecht noch stärker auf einen
industriefreundlichen Kurs als ihre rot-grüne Vorgängerin (vgl.
c't 2006: 48 ff.). Die geltende Rechtslage sieht nach Paragraf 153
der Strafprozessordnung allerdings sowieso vor, dass bei geringer
Schuld des „Täters" von der Verfolgung abgesehen werden könne,
wenn kein öffentliches Interesse bestehe. Die Bagatellausnahme im
Urheberrecht hätte nach Zypries nur der Klarstellung der
staatsanwaltlichen Praxis gedient (ebd.).
55 Für diese Differenzierung und weitere Hinweise in diesem
Themenbereich danke ich Robert Gehring.
56 Der Quellcode ist in einer für den Menschen lesbaren
Programmiersprache geschrieben, während der Binärcode aus Nullen
und Einsen besteht und letztlich nur für die Maschi-ne lesbar
ist. Ein sogenannter Compiler übersetzt die menschenlesbare
Sprache in die maschinenlesbare. Damit die Maschine läuft, bedarf
es dessen Quellcodes letztlich nicht."
?, Warum sollte hier kein Bedarf an Quellcode vorliegen? Computer
machen - ganz entgegen den Apokalyptischen Nachhumanen Entwuerfen
Kittlers etwa - ohne die "Kopplung" an den Menschen kein Sinn, sie
waeren, im Diskurs des selbstmaechtigen Techno, rein auf an und fuer
sich bezogene Dinge/Wesen. Ein _fuer sich_ beim Menschen mittels des
Computers ist dann nicht mehr denkbar, was nicht heiszt, das die
rationale Erfassung der Black-Box-Vorgaenge im Rechner nicht begrenzt
sei, im Gegenteil.
"74
zurückgehalten, so dass Programmierer und andere Nutzer nicht oder
nur sehr schwer Einblick in die Funktionsweise der Software erhalten
konnten, geschweige denn, dass sie daran Veränderungen vornehmen
konnten. Am Softwaremarkt Ende der 70er Jahre herrschte schließlich
eine „nachgerade paranoide Haltung. Jeder Käufer erschien den Firmen
als potenzieller `Pirat"` (Grassmuck 2002b: 281). Ende der 80er Jahre
war fast alle Software proprietär und schon seit 1981 kann man in
den USA Software patentieren (Grassmuck 2002b: 221). Kunden, die
den Quell-code erhielten, mussten sogenannte
Vertraulichkeitsvereinbarungen unterzeich-nen, eine kooperierende
Community über Unternehmen hinweg und quer durch alle Institutionen
war damit unmöglich gemacht."
Das Klischee ist eindeutig: mit GNU tritt in der Aera der fruehen
Blue Chips die Liberale auf den Plan und rettet...
"Richard Stallman, ein Programmierer, der in den siebziger Jahren
am MIT beschäftigt war, wollte sich mit dieser Praxis nicht abfinden,
seiner Ansicht nach ist es „unmoralisch", den Quellcode als
Geschäftsgeheimnis einzubehalten, weil damit Verbesserungen und
Weiterentwicklungen nicht mehr geteilt werden kön-nen (Moody 2001:
35, 45). Er beklagte das Ende der offenen Kooperation in der
Software-Entwicklung und begann daher konsequent ein neues, eigenes
und „frei-es" Betriebssystem unter dem Name GNU (rekursives Akronym
für „GNU is not Unix") zu entwickeln, bei welchem der Quellcode offen
und Kooperation aus-drücklich erwünscht war. 1985 gründete Stallman
schließlich die Free Software Foundation mit dem Ziel, die Rechte der
Software-Nutzer und -Entwickler zu stärken. Die nach Grassmuck
folgenreichste Erfindung Stallmans war jedoch das „Copyleft", eine
Umkehrung der Wendung „Copyright - all rights reserved" zu „Copyleft
- all rights reversed" (Grassmuck 2002b: 282, FN 29). Unter diesem
Label schuf Stallman gemeinsam mit juristischen Beratern der Freien
Software Foundation die GNU General Public License (GPL). Bereits
aus der Präambel geht das Hauptziel dieser Lizenz hervor:
„The licenses for most software are designed to take away your
freedom to share and change it. By contrast, the GNU General Public
License is intended to guarantee your freedom to share and change
free software - to make sure the software is free for all its users"
(Free Software Foundation 1991a).
Die GPL wurde eine wichtige Antriebskraft in der Freien
Software-Entwicklung, „it is used by most GNU programs, and by more
than half of all Free Software packages" (Free Software Foundation
1991b). Software, die der GPL unterliegt, darf mit Quellcode
verbreitet werden, sofern der Copyright Vermerk und die Lizenz
mit verbreitet wird. Dienstleistungen, die mit dem Code zusammenhängen
(für Datenträger, Handbücher, Support etc.) dürfen verkauft werden."
Zu ergaenzen waere: "Dienstleistungen, die mit dem Code
zusammenhaengen, bzw. der Kode selbst *muss* verkauft werden, sonst
waere die Finanzierbarkeit der Bewegung unmoeglich.
"Das Programm darf verändert werden und die veränderte Version darf
weiter verbreitet werden, solange Angaben über die Änderungen mit
weitergegeben werden und das Pro-gramm unter denselben
Lizenzbedingungen veröffentlicht wird, wie die ursprüng-
75
liche Freie Software, derer man sich bedient hat. Bei der Freien
Software wird nicht auf das Urheberrecht verzichtet, im Gegenteil:
Das Urheberrecht wird ge-nutzt, um im Sinne der GPL das Recht zu
erteilen, Software zu vervielfältigen, zu verbreiten und/oder zu
verändern (vgl. Free Software Foundation 1991a; Deut-sche
Übersetzung der GPL siehe Lachmann/Gerwinski 2000).57 Die General
Public License ist nicht die einzige Lizenz unter dem Label Copyleft
(siehe dazu weiter unten) und Programme unter die GPL zu stellen ist
auch nicht die einzige Me-thode ein Programm „frei" zu machen. Man
kann eine Software auch einfach in die Public Domain stellen ohne
Copyright: „This allows people to share the program and their
improvements, if they are so minded" (Free Software Foundation
1991b). Allerdings - und dies ist der wesentliche Unterschied zur GPL:
„But it also allows uncooperative people to convert the program into
proprietary software. They can make changes, many or few, and
distribute the result as a proprietary product. People who receive
the program in that modified form do not have the freedom that the
original author gave them; the middleman has stripped it away"
(Free Software Foundation 1991 b).
Aus diesem Grund wird der GPL auch mitunter vorgeworfen, einen
Virus-Effekt58 zu haben, da die Programme, die GPL-Software
integrieren, ebenfalls unter GPL gestellt werden müssen und daher
nicht mehr geschlossen bzw. proprietär sein können. Zu Beginn der
90er Jahre, als fast alle Komponenten des GNU-Betriebs-systems bis
auf den Kernel (das „Herz" eines Betriebssystems) geschrieben waren,
entwickelte ein Informatikstudent aus Helsinki, Linus Torvalds, im
Rahmen einer stetig wachsenden weltweit vernetzten Kooperation mit
anderen Programmierern und unabhängig von Stallman einen freien
Kernel (ausführlich vgl. Moody 2001). Im Januar 1992 lag ein bereits
stabiler Kern vor, welcher von der Community mit den GNU-Komponenten
kombiniert wurde, das so entstehende Betriebssystem wurde unter die
GPL gestellt, im März 1994 erschien schließlich GNU/Linux Version 1.0:
„Ob nun GNU/Linux als letzter Baustein in das GNU-System eingefügt
wurde oder die GNU-Systemkomponenten um Torvald's Kernel - wie man
es auch sehen mag, auf jeden
_______________
57 In diesem Sinne entschied das Landgericht München in seinem Urteil
vom 19. Mai 2004 (Az. 21 0 6123/03) für eine
Programmierergemeinschaft und gegen einen Hard-ware-Hersteller,
der GPL-lizensierte Software zum Betrieb seiner kommerziellen Hard-
ware benutzen und damit verkaufen wollte. Wörtlich heißt es: „Die
Kammer teilt die Auffassung, dass in den Bedingungen der GPL
keinesfalls ein Verzicht auf Urheber-rechte und urheberrechtliche
Rechtspositionen gesehen werden kann."
58 „Ziel dieser von ihren Gegnern häufig als `infektiös', richtiger
als `impfend' bezeichneten Klausel ist es, eine Privatisierung
von kollektiv erzeugtem Wissen zu verhindern und den Gesamtbestand
an freier Software beständig zu erweitern" (Grassmuck 20026: 284
f.).
76
Fall gibt es seither ein vollständiges, leistungsfähiges, freies
System mit dem Namen GNU/Linux" (Grassmuck 20026: 226).
Das Betriebssystem GNU/Linux mit einem Pinguin" der einen Zylinder
traegt und Havanna raucht "als Maskottchen ist mittlerweile sicherlich
das berühmteste Freie Software-Projekt. Bis zum Jahr 2002 wurden 30
Millionen GNU/Linux-Installationen weltweit gezählt (Grassmuck 2002b:
229), vor allem im Serverbereich konkurriert GNU/Linux längst mit
Microsoft. Es entstanden Firmen, die mit Distribution und Support
für GNU/Linux Geld ver-dienen, GNU/Linux-Unternehmen, die vom New
Economy Boom mitgerissen wurden (und die wieder fielen), es gründeten
sich überall GNU/Linux Nutzer-gemeinschaften (GNU/Linux User Groups),
GNU/Linux-Zeitschriften, GNU/Linux-Standardisierungs-Konsortien und
GNU/Linux-Konferenzen schossen wie Pilze aus dem Boden, kommunale
Verwaltungen beschäftigen sich mit dem Ein-satz von GNU/Linux (ZDNet
2003) und/oder benutzen mittlerweile dieses Be-triebssystem, ebenso
wie Großunternehmen, so beispielsweise Edeka, Sixt, Debis und Ikea
(Grassmuck 2002b: 229). GNU/Linux, so könnte man sagen, hat es
geschafft, eine ganz eigene, weltweit verstreute riesige
Anhängerschar zu kreieren und dies über alle Grenzen hinweg und stellt
darüber hinaus für verschiedene Geschäftsmodelle den Rohstoff und die
Grundlage dar. Manche Autoren gehen davon aus, dass das Besondere an
GNU/Linux gar nicht unbedingt der Kernel selbst war, sondern die
Erfindung des Entwickler-Modells, GNU/Linux wird heu-te als
Paradebeispiel einer Organisationsform betrachtet, bei der Tausende
von Menschen in der ganzen Welt in einer selbst organisierten
Zusammenarbeit ein komplexes Softwareprojekt entwickeln.
Die Kommerzialisierung von Freier Software:
Open Source Software
Auch wenn Torvalds und Stallman beide gleichermaßen mit GNU/Linux
assozi-iert werden, da sie beide zu den ursprünglichen Initiatoren
gehören, so stehen sie bezüglich der „Philosophie" doch für
verschiedene Strömungen. Die Ablehnung einer ausschließenden Aneignung
von Software-Code war und ist für Stallman und seine Anhänger nicht
nur eine Frage der größeren Effizienz von Software-Entwicklung,
vielmehr steht der soziale Aspekt der Freiheit im Vordergrund, den
es ganz allgemein zu schützen gilt:"
Und bei der man utopistisch vorgibt in einem Teilbereich schon jetzt
in dieser Epoche in GNU/Linux eine real Entsprechung zur Utopie
gefunden zu haben.
"„There are more important issues of freedom - the issues of freedom
that everybody's heard of are much more important than this: freedom
of speech, freedom of the press, free assembly" (Moody 2002: 29)."
Wobei die Deutung hier eine evolutionistische ist:
"Freie Software ist damit ein Schritt in Richtung einer freieren
Gesellschaft: „This is why we say that free software is a matter of
freedom, not price" (Stallman 1994), das GNU-Projekt ist für Stallman
eine ethische, soziale, politische Frage, es geht
77
letztlich um die Frage, wie die Gesellschaft beschaffen sein soll, in
der wir leben wollen (so Stallman, zitiert in Grassmuck 2002b: 226).
Im Zuge der Verbreitung von Freier Software haben sich allerorten die
verschiedensten, zumeist bürger-rechtlich am Ideal der
Informationsfreiheit orientierten Initiativen zur Unterstüt-
zung dieser Software herausgebildet, so dass man durchaus von einer
„Freie Soft-ware-Bewegung" sprechen kann. In Abgrenzung dazu formierte
sich allerdings in den späten neunziger Jahren die
„Open-Source-Bewegung", welcher Linus Torvalds nahe steht. Zu deren
Auftaktveranstaltung im April 1998 im californischen Palo
Alto ist Richard Stallman ganz bewusst nicht eingeladen worden
(Moody 2001: 233). Die Open Source Bewegung favorisiert zwar ebenfalls
quelloffenen Code im Gegensatz zu proprietärem Code, lehnt aber
jegliche Politisierung dieser For-derung ab. Stallman wird als zu
ideologisch kritisiert und das eigene Plädoyer für offenen Code mit
rein pragmatischen Gründen legitimiert, die Nützlichkeit, die
Effizienz und die Zuverlässigkeit der Software rücken bei der Open
Source Philo-sophie in den Vordergrund. Das „irgendwie kommunistisch"
(Grassmuck 2002b: 230) und für den Mainstream „bedrohlich" (Raymond
zitiert nach Moody 2001) klingende „free" soll vermieden werden,
damit auch die Geschäftswelt von dem Produktionsmodell der Freien
Software überzeugt werden kann. Die Verwendung von „Open" statt
„Free" sollte signalisieren, dass man keineswegs gegen eine
Kommerzialisierung von auf diesem Weg entwickelter Software sei,
sondern viel-mehr „offen für alles". (O'Reilly & Associates 1999).
Stallman dazu: „Please avoid using the word 'open' as a substitute
for 'free software'. A different group, whose values are less
idealistic than ours, uses 'open source' as its slogan" (Stallman
o. J.: o. S.)."
Es geht also um einen neuen feinen feinen Unterschied von Software,
die zum Selbskostenprreis oder mit Gewinn fuer das Ideal 'freier
Software' kommerziell vertrieben wird, und Software, die kommerziell
vertrieben, um Gewinne einzufahren.
"Rein technisch oder lizenzrechtlich ist es allerdings
schwierig, Freie Software und Open Source Software auseinander zu
halten, daher werden die Begriffe auch häufig synonym verwendet.
Die spezifische Herstellungsweise von Freier Software und ihre
Merkmale als Produkt sind nach Ansicht ihrer Befürworter durchaus auch
für die kommerzielle Welt von großem Vorteil gegenüber geschlossener
bzw. proprietärer Software, dazu gehören wesentlich: Hohe Sicherheit:
Aufgrund des verfügbaren Codes können Programmierer oder Nutzer mit
dem entsprechenden Know-how einsehen, wie das Programm funktioniert.
D.h. die Kontrolle über den eigenen Computer ist gewährleistet.59
Flexibilität: Da der Code offen ist, kann er auf individuelle Zwe-
_______________
59 Einer Umfrage der Evans Data Corporation unter ca. 500 Entwicklern
in Nordamerika zufolge halten diese das offene Betriebssystem Linux
im Vergleich zu Windows XP für weitaus sicherer. Fast ein Viertel
(23%) von ihnen hielt Linux für „das sicherste System", nur 8%
hielten Windows XP für sicherer. Auch allgemein seien „Open Source
Produkte beliebter geworden", so die Umfrage. 2001 nutzten nur
380/0 der befragten Entwickler Open Source Software, nun sind es
bereits 620/0 (Evans Data Corporation 2003).
78"
Aber kam Linux nicht passgenau, um die Balance der Quasi-Monopole
auf dem Software-Markt zu stabilsieren?
"cke und Bedürfnisse hin verändert werden.60 Hohes Entwicklungstempo
bei hoher Qualität: Offener Code ist immer work in progress.
Kontinuierliche Verbesserun-gen, Erweiterungen und Fehlerbereinigungen
erfordern dabei kontinuierliche Veröffentlichungen („release early,
release often"). Freie Software/Open Source-Entwickler veröffentlichen
verbesserten, fehlerbereinigten Code zumeist in neuen
Programmversionen, die sie eher nach Gesichtspunkten der Qualität
freigeben und nicht nach Gesichtspunkten kommerzieller
Verwertungszwänge (vgl. Mockus, et al. 2002). Geringe Kosten: Jeder
kann den Quellcode von Freier Software aus dem Netz laden. Nutzer, die
nicht so vertraut mit dem Computer und dem Umgang mit seinen
Anwendungsprogrammen sind, können Support, Dokumentationen und
Handbücher für das entsprechende Freie Software/Open Source Programm
erhalten. Sie bezahlen nur dafür, nicht aber für den Code.61 Schnelle
und güns-tige Hilfe: Es gibt eine umfangreiche Gemeinde von Freie
Software/Open Source Entwicklern (die „Community"), welche in
Newsgroups und Mailinglisten orga-nisiert sind und jedem, der Hilfe
braucht oder Fragen hat, zu helfen versuchen. Kommerzieller
proprietärer Software hingegen sagt man nach, dass der Support
meist von schlechter Qualität und teuer ist (vgl. Levinson 2001).
Kooperation: Da die Teilnahme an einem Open-Source-Projekt in der
Regel für jeden offen ist, können solche Projekte weltweit Talente
anziehen, die andernfalls niemals hätten zusammengebracht werden
können. Nutzer und Entwickler von Software ver-schmelzen in
Personalunion und erhöhen damit die Feedback-Frequenzen.62
________________________________________________________________________
60 „Open-source represents one of the most interesting and influential
trends in the software industry over the past decade. Today, many
organizations are looking toward open-source as a way to provide
greater flexibility in their development practices, jump-start
their development efforts by reusing existing code, and provide
access to a much broader market of users" (Brown/Booch 2002: 123).
61 DB-Research nennt in ihrer Studie explizit die „hohen
Kosteneinsparpotenziale" bzw. „nachweisliche Kosten- und vermutete
Stabilitäts- und Sicherheitsvorteile” als Gründe für die künftig
zu erwartenden hohen Wachstumsraten speziell von Linux im Markt für
Server-Software sowie für das erwartete wachsende Interesse an
Officepaketen, Datenbank-programmen und Wissensmanagement-Software
auf OS-Basis (vgl. Heise 2002).
62 Zur Frage des Zusammenhangs zwischen Feedback bei der
Software-Entwicklung und Softwarequalität siehe z.B. McCormack
(2001): „The most striking result to emerge from the research
concerned the importance of getting a low-functionality version of
the product into customers' hands at the earliest opportunity.
(...) Plotting the functio-nality against the quality of the final
product demonstrated that projects in which most of the
functionality was developed and tested prior to releasing a beta
version performed uniformly poorly. In contrast, the projects that
performed best were those in which a low-functionality version of
the product was distributed to customers at an early stage"
(McCormack 2001: 79).
79"
Genau an dieser Stelle taucht die Prosumer-Debatte auf, in der Bedarf
und Produkt eine funktionale sich sinnvoll ergaenzende dynamische
Einheit bilden.
Ali Emas/Matze Schmidt
Sabine Nuss. _Copyright & Copyriot: Aneignungskonflikte um geistiges
Eigentum im informationellen Kapitalismus_. Muenster: Westfaelisches
Dampboot, 2006. 269 S. - EURO 19,90. Erschienen: Oktober 2006
Volltext-Archiv aller im Buch verwendeten elektronischen Quellen (ca.
20 MB)
http://wbk.in-berlin.de/wp_nuss/wp-content/uploads/2007/01/
lit_linksklein.pdf
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3.
Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Teil 76
Der war absurd, denn wo sollte der Grund liegen. Doch die
Existenzfrage konnt Roman nicht lange beschaeftigen, musste er doch
schnell mal eben handeln - also, was ver...kaufen.
Teil 77 im n0name newsletter #117
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