[rohrpost] "How to organize?" ? aus: n0name newsletter #92

Matze Schmidt matze.schmidt at n0name.de
Die Okt 31 12:06:59 CET 2006


"How to organize?" ?

Die Frage koennnte man auch anders stellen: Was und warum organisieren?

Und was heiszt "gleiche Rechte für alle", oder "Ent-Prekarisierung"?
Die sogenannte Prekarisierung ist momentan der Begriff fuer den 
Abbau des Sozialstaats, genannt soziale Marktwirtschaft, in der BRD. 
Man muss sich klarmachen, dass der im Sinn des Kapitals produktive 
Teil der lohnarbeitenden Gesellschaft hierzulande im Weltmaszstab 
eine wohl nur eine geringe Menge darstellt. Und die Arbeiterinnen, ob 
am Flieszband als privilegierte Lohnschreiber und Wissensverwalterin 
(Akademiker) oder in der Fabrik bei VW (Arbeiterin) sind qua Technik 
dermaszen hochproduktiv geworden, dass ihre Lohnarbeit vom Kapital 
einfach nicht mehr benoetigt wird. Die "gesellschaftliche Realität 
zu verändern bzw. verbessern" ist dann etwas zu allgemein gefasst und 
deutet lediglich auf Optionen in naechster Naehe hin, die zur Zeit 
nur im solidarischen aber defensiven Abwehrkampf gegen die Angriffe 
auf die Lohnabhaengigen liegen koennen. Die Berliner Regierung wird 
im Auftrag des Kapitals weiterhin scheibchenweise die im 
internationalen Vergleich gegebene Besserstellung der deutschen 
Lohnabhaengigen Salamisieren. Ent-Prekarisierung steht nicht auf der 
Agenda, jede bedingungslose Grundrente wuerde das Ende der deutschen 
Wirtschaft einleiten, die das nie zulassen wuerde.

Fuer Orga Zeit zu finden, ist wohl simpel eine Frage der Arbeitszeit 
fuers Geld, was sich nur sabotieren laesst, indem nicht gearbeitet 
wird. Aber die ganze (na gut, die halbe) Berliner Hauptstadt 
arbeitet permanent an der Aufrechterhaltung der Kulturoberflaeche: 
"Unaufhaltsam ist Berlin das kulturelle Zentrum unseres Landes 
geworden." http://magazin.zitty.de 31.10.2006, "Erst in den 
vergangenen Jahren ist es der Stadt wirklich gelungen, eine Metropole 
zu werden. Und es gibt Grund, fast ein wenig stolz zu sein: Denn 
Berlin hat es geschafft, dabei sympathisch zu bleiben. Es hat seine 
Sommersprossen behalten." Mercedes Bunz http://magazin.zitty.de/1033
/magazin_-_titel.html. Oder wie es Pit Schultz als Robin Hood der 
nicht-staatlich Gefoerdereten formulierte: "(...) keine Reformation 
existierender Subventions-Kolosse, sondern die Investition in 
temporaere, punktuelle und kosteneffektive Veranstaltungen (...) die 
dafuer aber in Qualitaet, Originalitaet und internationaler 
Vernetzung weit voraus sind." (Thomas Krueger (Hg.). _Die bewegte 
Stadt_, S. 101) So muss man es machen! Oder wie die 'Leiterin' eben 
jener Institution, welche unten stehende Veranstaltung hostet, einmal 
fuer das Massen-Lifestyle-Magazin der Deutschen Bahn offen 
aussprach: (sinngemaesz) Wir machen mit unbezahlten Kraeften 
doppelt so viele Ausstellungen im Jahr wie die groszen Haeuser.
Wo ist da Arbeitsverweigerung sprich Sabotage und wo 
Organisierung/Organisation?

Die immer klassenkaempferisch iquisitorische Genossenfrage "Wo bist 
du organisiert?" bekommt da einen ganz anderen Geschmack. Folgt man 
- unweigerlich - obigem 'settled Untergrund' Mainstream, dann 
wuerde die Antwort nur so lauten koennen, naemlich finanziell 
*bei meinem Arbeitgeber*. Also wahlweise irgendeiner Veranstaltungs 
GmbH, die direkt am Tropf der einen oder der anderen Stiftung haengt 
(in Anspielung auf einen alten Artikel in _Das Blatt_ haengt Berlin, 
immer noch am Tropf der Zeit) und ideell beim Mythos der 
Verwirklichung alternativer Strukturen oder klein kleiner 
solidarischer Oekonomie.

Warum und was also organisieren? Das bessere basisdemokratischere 
Symposion oder den unausbeuterischeren Kultur e.V.?

                
"How to organize?                
Organisierung der Unorganisierbaren, die Schwierigkeit, dafür Zeit 
zu finden und die Kunst der Sabotage 

Dienstag 31. Oktober 2006, 20 Uhr
NGBK, Oranienstraße 25, Kreuzberg, Veranstaltungsraum, 1. Stock

Vorträge und Diskussion mit Efthimia Panagiotidis, Hamburg,
Daniela Koweindl, Wien, und politische Comics von Linda Bilda, Wien

Efthimia Panagiotidis spricht über Prekarisierung auf hohem Niveau. 
Sie fragt sich, warum die Hochqualifizierten keine Zeit haben, sich 
zu organisieren, und welche Konsequenzen in der Politik daraus zu 
ziehen sind. Daniela Koweindl verbindet in ihrem Beitrag 
Interessenvertretung von KulturarbeiterInnen mit Kämpfen um soziale 
Rechte und für gleiche Rechte für alle. 
Die Künstlerin Linda Bilda zeigt politische Comics, in denen sie zur
alltäglichen Sabotage auffordert. 

EfthimiaPanagiotidis, Soziologin, lebt in Hamburg, arbeitet zu
Prekarisierung und Migration. Sie ist politisch aktiv bei dem
Forschungsnetzwerk Preclab, dem Euromayday, Kanak Attak, und dem
transnationalen Netzwerk Frassanito.

Daniela Koweindl ist Redakteurin der Zeitschrift kulturrisse und
kulturpolitische Sprecherin der IG Bildende Kunst, lebt in Wien 
und befasst sich mit Strategien und Kämpfen zur Ent-Prekarisierung 
von Arbeit und Leben.

Linda Bilda, in Wien lebende Künstlerin und Erfinderin, sucht mit 
ihrer Tätigkeit (Herausgabe von die weisse Blatt und NO comics) die 
Wirklichkeit zu erfassen und mittels dieser Analyse die 
gesellschaftliche Realität zu verändern bzw. verbessern.

Prekäre Perspektiven ist eine Veranstaltungsreihe der gleichnamigen 
NGBK-AG (Burbaum / Kasböck / Leitner / Kriegerowski / Veihelmann). 
Das Thema ist Prekarisierung, also Verschlechterung der 
wirtschaftlichen und sozialen Absicherung sowie Vereinzelung. Das 
Ziel ist, Perspektiven zu entwickeln. 2006 befassen wir uns mit 
Prekarisierung bis zum Ausnahmezustand. Ende 2006 erscheint ein 
Reader zu den Veranstaltungen der letzten drei Jahre.

http://www.mitzeitung.de/prekaere/index.html"


Yelena Simc