[rohrpost] (Fwd) WG: Urheberrechtsnovelle
Florian Cramer
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Mon Okt 30 15:24:49 CET 2006
Am Sonntag, 29. Oktober 2006 um 18:31:45 Uhr (+0100) schrieb Andreas
Broeckmann:
> Anfang November wird im Bundestag erneut Ÿber die Novelle des
> Urheberrechts beraten. Sollte das Gesetz wie geplant in dieser Form
> Ende des Jahres im Bundestag verabschiedet werden, wŸrde Autoren,
> Journalisten und KŸnstler erhebliche finanzielle Einbu§en bei der
> VergŸtung ihrer Arbeit erfahren. Ich mšchte Sie daher darum bitten,
> dass Sie sich an einer Unterschriftenliste gegen die geplante *nderung
> des Urheberrechts beteiligen, die in der kommenden Ausgabe der
> Literaturzeitschrift EDIT veršffentlicht wird.
Das ist ein interessanter Diskussionsbeitrag - und deshalb hast Du ihn
hier sicher eingeworfen. Doch wäre gerade hier auf dieser Liste zu
diskutieren, ob er nicht überkommene und naive Vorstellungen von
Medienwirtschaft und Urheberrecht fortschreibt. Zum Beispiel heißt es in
der Stellungnahme des Journalistenverbands:
"Im Mittelpunkt des Urheberrechts steht der Urheber."
Das stimmt in der Theorie, kaum aber in der Praxis, in der die
Vertretung dieses Rechts per Autorenvertrag exklusiv an Verlage und
Medienkonzerne abgetreten wird. Die Unterscheidung von
kontinentaleuropäischem "droit d'auteur" und angloamerikanischem
Copyright (mit seinem veräußerlichen Urheberrecht) ist deshalb
akademisch und in der Verlagspraxis irrelevant.
"Das Urheberrecht dient dem Zweck, das Verhältnis des Urhebers (und
seiner Rechtsfolgen) zu seinem Werk zu regeln, ihm den gerechten Lohn
für seine schöpferische Leistung zu sichern."
Der letzte Satz ist eine mutwillige Verdrehung der historischen
Begründung sowie von Absicht und Wirkung des Urheberrechts. Mitnichten
soll das Urheberrecht einen "gerechten Lohn" sicherstellen; es ist weder
ein Arbeits-, noch ein Tarif- oder Mindestlohnrecht. Da fabriziert der
DJV-Text Mythen, die sich aus sozialdemokratischen Wunschphantasien
speisen. Das Urheberrecht wurde als Regulierung der Buchdruckindustrie
erfunden und soll in seiner modernen Form schlicht Urhebern bzw.
Rechteinhabern Kontrolle über die Reproduktion und öffentliche
Verwertung von Werken geben. Als temporär gewährtes Monopol und als
Teil eines größeren "intellectual property"-Systems (das auch Patent-,
Marken-, Geschmacksmuster- und Vertragsrecht einschließt), primär der
Sicherung industrieller "assets" gegen globale Konkurrenz, also dem
Rechtefundus von Medienindustrien sowie dem Verfahrens-Knowhow und den
Markenzeichen sonstiger Industrien. In diesem Punkt stimmen jede
intelligente "linke" materialistische Kritik und jede "rechte" oder
"neoliberale" marktwirtschaftlich-nüchterne Sicht der Dinge völlig
überein. Wer das Urheberrecht hingegen zum Autoren-Menschenrecht
verklärt, lebt nicht in dieser Welt, sondern in einem humanistischen
Wolkenkuckucksheim und faselt dummes Zeug.
Die Urheberrechtsabgabe auf elektronische Geräte, um die es hier geht,
ist zu guter (oder vielmehr: schlechter) letzt eng mit der GEZ-Gebühr
auf internetfähige Computer verwandt: In logisch hinkender Induktion von
der Tatsache, daß man mit einem Gerät Rundfunk empfangen oder Buchtexte
reproduzieren _kann_, wird unterstellt, daß man dies auch automatisch
tut. Da vernetzte Computer nunmal Universalmaschinen sind und als solche
auch die Funktion aller Publikationstechnik einschließen, läßt sich
jeder potentielle Gebrauch noch mit einer Gebühr oder Steuer belegen. Da
Netzcomputer zum Beispiel Daten nicht nur empfangen, sondern auch
senden, sollte man konsequenterweise nicht nur Rundfunkempfangsgebühren,
sondern auch Sendelizenzgebühren in Höhe von mehreren zehn- oder
hunderttausend Euro pro Maschine und Jahr erheben. Und da sie Daten
global versenden, müßten auch Zollgebühren für den Import und Export von
Medien erhoben werden, GEMA-Pauschalen angesichts der Tatsache, daß
Netzcomputer Audiodaten streamen können, VG Wort-Pauschalen auf das
Kopieren von urheberrechtlich geschützten Webseiten in den
Browser-Cache, sowie Mehrwertsteuer auf Datenpakete,
Berufsgenossenschafts-Abgaben und Haftpflichtbeiträge für
psychosomatisch-traumatische Störungen, die von versandter Information
potentiell verursacht wird, usw. usf.
Noch fragwürdiger wird die Geräteabgabe schließlich bei freier Hardware,
d.h. Hardware mit frei verwendbaren Bauplänen wie z.B. das Arduino-Board
<http://www.arduino.cc>, die Freedom CPU <http://f-cpu.seul.org> und der
OpenSparc-Prozessor <http://www.sun.com/processors/opensparc/> sowie der
Graphikchip Manticore <http://icculus.org/manticore/>. Man stelle sich
vor, es gäbe dementsprechend eine Urheberschutzabgabe auf jedes gekaufte
oder heruntergeladene Computerprogramm, und welche Auswirkungen dies auf
freie/Open Source Software hätte... Mich würde es überhaupt nicht
wundern, wenn die Initiatoren und Unterzeichner des o.g. Appells in
ihrem Bemühen, Autoren vor "schleichender Enteignung" zu schützen (in
abermaliger Verwechselung von Urheber- und Eigentumsrecht), auch auf
solche Forderungen verfallen würden.
-F
--
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