[rohrpost] Plädoyer für ein modernes Urheberrecht; L. Lessig: "Freie Kultur" / Buchvorstellung
glukkon at gmx.net
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Don Mar 16 09:18:06 CET 2006
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On Wed Mar 15, 2006 at 08:34:01AM +0100, tigerkruemel at web.de wrote:
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> Lawrence Lessig: Freie Kultur
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> Hamburg - Internet, Tauschbörsen, Raubkopierer - das sind zentrale Reizwörter, die der Medienindustrie seit Jahren kräftige Bauchschmerzen bereiten. Die Musikbranche klagt über Verluste in Milliardenhöhe, und Hollywood wacht mit Argusaugen über seine mittlerweile ebenfalls digitalisierten Inhalte.
> Doch das Internet hat auch eine bislang ungeahnte Form der Kreativität freigesetzt. Für diese Kultur, die Hollywood und die Musikindustrie in höchste Panik versetzt, hält der angesehene amerikanische Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig ein ambitioniertes Plädoyer.
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> In seinem jüngsten Buch "Freie Kultur - Wesen und Zukunft der Kreativität" attackiert er sachlich fundiert die Versuche der Medienindustrie, die entstandenen Möglichkeiten für die Kultur nur für ihre eigenen Interessen zu opfern.
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> In seiner detailreichen und dabei bemerkenswert unterhaltsamen Analyse stellt Lessig das heute geltende Urheberrecht als kaum praxistauglich und sogar kontraproduktiv dar. Dabei geht es ihm keineswegs darum, Raubkopien das Wort zu reden, sondern neue Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Urheber in einer veränderten technischen Welt dennoch zu ihrem Recht kommen. Denn was das derzeit geltende Recht in der alltäglichen Praxis für Blüten treiben kann, beschreibt der Rechtsprofessor anschaulich an zum Teil sehr bizarr wirkenden Fällen.
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> So erzählt Lessig die Geschichte von dem Juristen Alex Alben und dessen Vorliebe für neue Technologien. Alben hatte im Jahr 1993 die Idee, eine Retrospektive über den Schauspieler Clint Eastwood erstmals auf dem damals noch jungen Medium CD-ROM herauszubringen. Das Vorhaben gelang - doch kostete es die Firma Starwave, für die er tätig war, ein ganzes Jahr Arbeit und die Mithilfe zahlreicher Angestellter - allein um die dafür nötigen Rechte zu klären, etwa alle Schauspieler aus den Ausschnitten zu identifizieren und von ihnen jeweils die persönliche Erlaubnis für die Nutzung einzuholen.
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> Ein anderes Projekt aus den 90er Jahren, in diesem Fall von dem Filmemacher Jon Else, war dagegen weniger von Erfolg gekrönt, kann Lessig berichten: Es scheiterte daran, dass dem Dokumentarfilmer das Geld für den Erwerb aller Rechte schlicht fehlte. Für die geplante Dokumentation über Richard Wagners Ring-Zyklus filmte Else in einer Szene zwei Bühnenarbeiter beim Dame-Spiel hinter den Kulissen. In einer Ecke des Raums lief ein Fernseher. Allein für den Ausschnitt einer Folge der "Simpsons" von Matt Groening, der dort keine fünf Sekunden zu sehen war, sollte Else 10 000 Dollar an das Filmstudio Fox zahlen.
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> "Werft die vielen Juristen raus", fordert der Rechtsprofessor Lessig provokant in einer seiner Überschriften. Denn viele heute vom Gesetz her nötige Klärungen der Urheberrechte für die Nutzung etwa von Filmausschnitten oder Musikstücken sind ohne immensen Aufwand oder starken rechtlichen Beistand kaum noch realisierbar. Gut lebt davon allein eine stetig wachsende Zahl von Juristen, so Lessig, der selbst an der Stanford Law School lehrt und dort das "Center for Internet and Society" gegründet hat.
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> Dabei leben wir längst in einer "Copy and Paste"-Kultur. Über das Internet sind Musik, Bilder, Illustrationen, Literatur und Filme leicht und unkompliziert verfügbar, und die Inhalte lassen sich in den meisten Fällen problemlos kopieren und weiter verwenden. Doch wer Film-Schnipsel oder Bildausschnitte aus dem Internet für seine eigene Homepage oder auch beruflich etwa für eine Präsentation nutzt, sie vielleicht noch mit Musik untermalt, hat sich bereits strafbar gemacht. Mit heutiger Rechtsprechung wären viele kulturelle Höhepunkte in der Vergangenheit gar nicht erst entstanden, meint Lessig.
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> Die Medienindustrie versuche mit allen Mitteln, die durch neue Technologien entstandenen kreativen Freiheiten zu beschränken. "Der gesunde Menschenverstand muss revoltieren", sagt Lessig. Denn diese Freiheiten bedeuteten keineswegs automatisch Anarchie. Eine Überregulierung schade dagegen allen Seiten. "Ein Krieg um das Urheberrecht tobt um uns herum - und wir alle konzentrieren uns auf das Falsche", meint Lessing. Zwar bedrohen tendenziell neue Technologien existierende Geschäftsmodelle. Doch überall um uns herum verändere sich derzeit grundlegend die Art und Weise, wie Kultur überhaupt entsteht.
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> Lawrence Lessig
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> Freie Kultur - Wesen und Zukunft der Kreativität
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> Open Source Press GmbH, München
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> 304 S., Euro 24,90
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> ISBN 3-937514-15-5
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> © dpa - Meldung vom 14.03.2006 09:36 Uhr
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