[rohrpost] St. Gilgen Media Award – Call for Entries
Florian Cramer
cantsin at zedat.fu-berlin.de
Fre Jan 27 02:01:29 CET 2006
Alain,
> All entries are under the Creative Commons Licence and are free to be
> developed further for an international Open Source and Open Idea Network
> and Archive of the best international ideas.
Das ist zwar gut gemeint, aber trotzdem nicht unproblematisch, weil die
Entscheidung über die Lizenzierung immer noch beim Urheber liegt, der
sein Recht im kontinentaleuropäischen System nicht veräußern kann.
Systeme wie Open Content und Creative Commons wurden gerade nicht als
Zwangslizenzen geschaffen, denen sich Künstler gegenüber Auftraggebern
und Verlagen vertraglich unterwerfen müssen.
Auf der Website des "St. Gilgen Media Award" heißt es:
| All submissions have to be registered with Creative Commons (CC)
| license: Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.0
Diese Lizenz verfehlt wegen der "NonCommercial"-Klausel die Kriterien
von Freier Software und Open Source. Eine ausführliche Diskussion dazu
gibt es in
<http://amsterdam.nettime.org/Lists-Archives/nettime-l-0501/msg00006.html>,
an die sich weitere Diskussionsbeiträge anschließen (siehe die Verweise
"Next by thread"). Eine juristische Kritik hat das Debian-Projekt unter
<http://people.debian.org/~evan/ccsummary.html> formuliert.
Unabhängig davon verhindert die Verengung des Wettbewerbs auf diese eine
Lizenz, daß eingereichte Arbeiten auf anderem Material basieren, das
zwar frei ist, aber unter anderen Lizenzen steht. Z.B. wäre es nicht
möglich, eine Wikipedia-basierte Netzkunstarbeit in den Wettbewerb
einzureichen. Die Wikipedia steht unter der GNU Free Documentation
License, die zur Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike
2.0-Lizenz inkompatibel ist. Sogar die meisten anderen Creative
Commons-Lizenzen sind zu ihr inkompatibel. Bereits eine Arbeit, die
unter Attribution-ShareAlike-Lizenz - ohne NonCommercial-Klausel -
steht, kann nicht legal in eine Arbeit unter der
Attribution-NonCommercial-ShareAlike-Lizenz integriert werden. Das ist
leider das Chaos, das Lessig und seine CC-Juristen angerichtet haben.
Ich fände es sinnvoller, wenn der Wettbewerb, anstatt sich auf eine
Lizenz zu vereengen, ganz allgemein frei nutzbare Einreichungen
verlangen und dafür bestimmte Mindeststandards definieren würde.
Künstler sollten sich übrigens auch des Risikos bewußt sein, Arbeiten
unter freie Lizenzen zu stellen, die rechtlich geschütztes, nicht frei
nutzbares Fremdmaterial (wie z.B. Bilder, Texte, Logos, Markenzeichen,
Tonsamples) verwenden, und zwar in einem Umfang, der nach Meinung von
Rechtsanwälten und Richtern über die pauschale Zitier- und Kunstfreiheit
hinausgeht. Ich habe es bei öffentlichen Diskussionen immer wieder
erlebt, daß die Creative Commons als Lösung dieser Problematik
mißverstanden wurden.
-F
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