[rohrpost] Mickey-Mouse-Forschung und die Distanz zu Deutschland

Florian Cramer cantsin at zedat.fu-berlin.de
Don Okt 27 00:10:32 CEST 2005


Am Mittwoch, 26. Oktober 2005 um 21:34:45 Uhr (+0200) schrieb Till Nikolaus von Heiseler:

> Sinnvoll wäre es u.U., alle Titel etc. aufzugeben und allein auf
> Leistungen zu sehen. Offene Ausschreibungen für Stellen, danach
> Workshop zunächst intern, dann Lehrproben. 2-3 Jahres Verträge wären
> hier vielleicht auch hilfreich (so ist es am Theater). 

Widerspricht sich mit dem Punkt:

> Weiter fordern die Wissenschaftler, einen tenure track einzurichten,
> einen institutionalisierten Weg von der Juniorprofessur zu einer
> Dauerstelle. 

Tatsache ist zumindest, daß auf 2-3 Jahresstellen keine vernünftige
Forschung, z.B. die Abfassung einer Monographie möglich ist. Schon auf
5-Jahres-Stellen ist das schwer genug.

> Die vorderste Forscher-Forderung ist, Professoren in transparenten
> Verfahren zu berufen und Berufungskommissionen international zu
> besetzen. Diese Gremien wählten bislang »nicht immer den
> wissenschaftlich besten Kandidaten aus«, heißt es in dem Brief, Weber
> sagt gar, diese Verfahren seien »durch Seilschaften kontaminiert«.

Stimmt leider.

> Zur Beschleunigung von Berufungsverfahren ist den Hochschulen volle
> Autonomie für die Berufung von Professoren zu geben.

Weshalb man diese Autonomie oft nicht will. Wenn eine Seilschaft mal
wieder eine Berufungsliste vergurkt hat, ist - pragmatisch gesehen - der
Minister- bzw. Senatorenentscheid sehr oft die letzte Rettung. 

> Die föderale Struktur des Hochschulwesens in Deutschland erschwert
> wissenschaftliche Karrieren über Landesgrenzen hinweg. Wir fordern
> alle Verantwortlichen dazu auf, die gegenseitige Anerkennung
> akademischer Leistungen bundesweit sicherzustellen. 

Betrifft die Geistes- und Sozialwissenschaften i.d.R. nicht, weil dort in
Ausschreibungen schon seit langem neben der Habilitation auch
"gleichwertige Leistungen" (sprich: ein zweites Buch) gefordert werden.

> Das gegenwärtige Nebeneinander von Habilitation und Juniorprofessur
> ist zugunsten einer attraktiven Juniorprofessur aufzugeben. 

...die die Bezahlung und Rechte eines Assistenten mit den Lehr- und
Prüfungspflichten eines Professors verknüpft.

> Finanzielle Ausstattung
> Herausragende Forschung hat ihren Preis. 

Daran hapert letztlich alles. Selbst ein "neoliberales" Land wie
die USA, in dem sich Hochschule vor allem durch Stiftungskapital,
Spenden und Studiengebühren finanzieren, subventioniert der Staat 
die Hochschulen höher als in Deutschland. Auch eine durchschnittliche
staatliche Universität wie die University of Texas hat pro Studienplatz
den vierfachen Etat einer deutschen Universität. (Bei Ivy League-Unis
ist das Verhältnis ungefähr 30:1.) Dafür, daß deutsche Universitäten auf
Aldi-Niveau forschen und lehren, ist es bei aller ihrer Verwahrlosung
erstaunlich, welches Niveau sie immer noch bieten.

-F

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