[rohrpost] Junggesellen-Auschreibung
cornelia sollfrank
cornelia at snafu.de
Mit Mar 30 15:15:10 CEST 2005
hallo johannes, gisela, florian, verena, und ihr anderen,
ich fühle mich bemüßigt auch zur diskussion beizutragen, da ich im
vorfeld der ausschreibung mit johannes darüber diskutierte und mich
nicht grundsätzlich gegen die idee aussprach, einen wettbewerb "nur für
männer" auszuschreiben.
in der tat ist der effekt, dass es "ganz lustig" ist, schnell verpufft,
wenn nicht weit reichende überlegungen dahinter stehen.
100 jahre bemühungen um gleichberechtigung stehen mehreren
jahrtausenden unterdrückung von frauen gegenüber, so mag manchen zwar
ärgern, dass es an wenigen orten ausgesprochene bevorzugungen von
frauen gibt, doch im historischen rückblick brauchen wir diese noch
ziemlich lange, bzw. bräuchten um historische gerechtigkeit zu
schaffen, erst einmal ein paar tausend jahre unterdrückung der männer,
um dann, wenn alle gleich lang den spaß hatten, unterdrücker und
unterdrückte gewesen zu sein, sich partnerschaftlich die hände reichen
zu können... darüber hinaus sieht es im moment so aus, gisela hat
darauf hingewiesen, dass die frauenförderung sich allgemein auf
talfahrt befindet und in der gesellschaftlichen krisensituation, in der
wir uns befinden, dann doch neokonservative rollenmodelle wieder gehypt
werden. insofern ist auch der verweis der ausschreibung
"Teilnahmeinteressierte Frauen und Haecksen werden an die einschlägigen
Frauenförderpreise und Stipendien für Netzliteratinnen (Willemer-Preis,
"Die Höge" etc.) weiterverwiesen." hinfällig und wenig witzig, da es
"die höge" seit einigen monaten gar nicht mehr gibt (der
regierungswechsel in niedersachsen hat dazu beigetragen) und der
zweijährlich vergebene willemer-preis wurde m.e. nur einmalig für
netzkunst ausgeschrieben. neben anderen bemühungen, waren dies zwei
beispiele, den männlich beherrschten preisvergabe-verfahren etwas
entgegen zu setzen. soviel zum thema frauenförderung und
benachteiligung von männern.
aber ich muss sagen, dass ich in dem thema "junggesellenmaschine" mehr
sehe als eine maschine von und für männliche junggesellen. das wäre ein
ziemlicher kurzschluss, denn bei Duchamps "Kurzschluss bei
Bedürfnis"geht es doch um maschinen der phantasie, um imaginäre
lösungen, um das Imaginäre im gegensatz zur simulation. "Die
Junggesellenmaschine besteht immer aus zwei Bildbereichen, dem
sexuellen und dem mechanischen, beide unterteilen sich wieder in einen
männlichen und einen weiblichen Bereich", schreibt michel carrouges.
d.h. die idee dieser maschine muss nicht an "den mann" gebunden sein.
lediglich die gesellschaftliche benachteiligung von frauen hat sie
nicht in die lage versetzt, ihnen nicht mittel und möglichkeiten an die
hand gegeben, IHRE (bilder von) junggesellenmaschinen hervorzubringen.
vielleicht lässt sich mit ausnahme von mary shelley kaum eine frau
ausmachen in dieser tradition.
dennoch glaube ich nicht, dass man dies ungebrochen in die gegenwart
weiterschreiben kann. im gegenteil. nicht die hacker, frickler und
bastler, die nur ihre maschinen und deren beherrschbarkeit lieben, sind
relevant für die idee der junggesellenmaschinen, sondern der umstand,
dass frauen immer mehr in der lage sind, ihre eigenen wunsch- und
liebesmaschinen zu realisieren. darin liegt die wahrhafte bedrohung -
und für mich der reiz des themas.
und zum knackpunkt, dass "Der Natur der Sache entsprechend ... die
Wettbewerbsteilnahme auf Männer
beschränkt.[ist]": das ist "natürlich" völliger unsinn. (der natur der
sache wäre es höchstens angemessen, erst einmal die
junggesellenmaschinen der frauen genauer in augenschein zu nehmen. )
aber ich finde es auch in ordnung, wenn in einer art versuchsanordnung,
die männlichen junggesellen ihre maschinen zur beurteilung vorlegen und
zwar - den geschlossenen kreislauf verlassend - den frauen. in diesem
sinn, habe ich nichts dagegen, dass nur männer an dem wettbewerb
teilnehmen, der denkfehler liegt eher darin, dass die jury ebenfalls
nur aus männern besteht. ich plädiere deshalb dafür, dass die jury
komplett ausgetauscht wird gegen eine rein weibliche jury. ich kann
dafür gern beratend tätig sein. mir sind auf anhieb ein halbes dutzend
frauen eingefallen, die sehr gut dafür geeignet wären.
desweiteren fände ich es sinnvoll und hilfreich, wenn johannes seine
überlegungen dazu genauer ausführen würde. die ausschreibung macht es
nicht klar, welche rolle seines erachtens das biologische geschlecht
bei der junggesellenmaschine spielt.
herzliche grüße und "denkt an mich, wenn ihr eure zeit verschwendet"
c.