[rohrpost] lass uns lieber nicht ueber kunst reden

Stefan Heidenreich stefan.heidenreich at rz.hu-berlin.de
Fre Feb 18 12:31:17 CET 2005


es ist eine immer wiederholte annahme, dass die medientheorie ihre 
geschichte vergisst. ich sehe die lage etwas anders. sie vergisst die 
gegenwart.

der retro-schick ist (leider) akademisches prinzip. in weiten teilen der 
geisteswissenschaften ist es üblich, dass junge akademiker sich ihr 
historisches loch suchen, um sich dort als professor zur ruhe zu setzen.
wissen in handeln zu überführen - also aussagen zur lage der gegenwart 
zu formulieren, die notwendig mit einem etwas grösseren risiko behaftet 
sind - steht nicht auf der universitären agenda.

das führt dazu, dass das, was geert "deutsche medientheorie" nennt, 
allmählich in den schlaf konventioneller technik- und diskursgeschichte 
zurückfällt.

s.



Claus Pias schrieb:
> 
> Am 17.02.2005 um 20:27 schrieb Pit Schultz:
> 
>> und kybernetik als koenigswissenschaft einen gewissen retrocharm mit 
>> sich bringt,
>> sodass man die naechsten 20 jahre rechenzentren als den geburt einer 
>> neuen aesthetik
>> feiern muss, das sind leider modische effekte, die zum glueck 
>> voruebergehen
> 
> 
> 
> Die Kybernetik hat -- neben allem eingestandenen Retro-Charme -- doch 
> noch eine etwas andere Bedeutung. Daß sie sich als Königswissenschaft 
> anbietet, ist eine Vorstellung der 50er und 60er Jahre. Sich damit zu 
> beschäftigen, heißt die Positionen einer technischen Medienwissenschaft 
> (aber auch etliche andere) auf ihre eigene historische Genealogie zu 
> verweisen, die doch allzu gerne vergessen wird. Nicht alles ist so neu, 
> wie die Provokationsrhetorik gerne bekräftigt. Und etliche Fragen waren 
> schon da, bevor es das Wort "Medientheorie" Konjunktur hatte. Die Rede 
> von der "Materialität der Kommunikation" stammt bspw. von 1959, die 
> "Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften" stammt aus dem 
> Mitt-60ern. Aber das wäre ein anderer thread...
> Herzlich, Claus
> 
> 
> 
> 
>