[rohrpost] betrifft: deutsche medientheorie

Sophia Nabokov sophia_nabokov at yahoo.de
Mon Okt 18 14:00:28 CEST 2004


 Ich habe soeben den Artikel (Netzkompetente
Philosophen) im Lettre gelesen und auch die Fassung
auf Ihrer Seite
(http://laudanum.net/geert/files/1077786752/index.shtml?1098098578)
und finde das schon recht traurig, wie das gelaufen
ist. Sie, Geert Lovink, haben mit unterschiedlichen
Medientheoretikern einen e-mail-Wechsel gehabt und am
Ende kommt ein Artikel raus, der so etwas von
konventionell ist, dass man nur noch den ersten Absatz
streichen musste (was Lettre ja offensichtlich getan
hat oder vielleicht auch Sie für Lettre -
vorauseilend), um in der vollkommenen Anpassung
angekommen zu sein. Wo ist den der e-mail-Wechsel?
Warum gibt es keinen Verweis zum Weiterlesen im
Artikel auf einen Ort im Netz, wo all diese
Briefwechsel dokumentiert sind? Ein Ort, an dem man
vielleicht auch hätte weiterschreiben können. Dann
hätte Lettre bzw. Sie auch den ersten Satz nicht
streichen müssen, sondern erklärt: Hier findet eine
Mischform statt zwischen einem Artikel und der
Dokumentation einer Kommunikation, eine Form, in der
Lesen und Schreiben sich in Echtzeit vermischen. So
aber, Herr Lovink, haben Sie die Leute nur benutzt und
eine Chance, Ihre eigene Medienkompetenz zu beweisen,
ungenutzt gelassen. Vielleicht hätten Sie auf diese
Weise sogar einen kleinen Anteil daran gehabt, den von
Ihnen gegeiselten "Gutenbergzentrismus" ein wenig zu
schwächen.


snab




--- geert <geert at desk.nl> schrieb: 
> Herzlichen Dank, alle. Ich weiss gar nicht wo ich
> anfangen soll. Ich
> musste mir zuerst Zeit nehmen die Antworten zu
> lesen. Irgendwie scheint
> es denn doch etwas zu wesen, diese DMT, weil ich
> ehrlich gesagt so
> viele, ausfuehrliche Antworte nicht erwartete.
> 
> Deutsch ist fuer mich erstmal ein Verweis auf die
> Sprache, also nicht
> auf Deutschland. Ich verstehe mich selbst ja auch
> irgendwie teil dieser
> Diskurswolke und das gilt fuer viele, zum Beispiel
> in Ost-Europa oder
> Skandinavien. Erst vor ein paar Tage noch
> kontaktierte mich ein Finner
> der an eine Uebersetzung von deutsche Medientheorie
> arbeitete. Auch gibt
> es so ein Vorhaben in Rotterdam fuer ein Sammelband,
> auf Englisch. Ich
> verstehe das es problematisch ist DMT einzugrenzen
> und sowieso ist den
> author approach nicht der richtige. Einverstanden.
> Jeder Auswahl blendet
> aus.
> 
> Warum das ganze nicht auf nettime-l auf Englisch
> diskutieren? Kern des
> 'Problems' (falls es ueberhaupt einer gibt...) ist
> natuerlich das ganz
> ganz wenige ausserhalb des Sprachgebietes Deutsch
> lesen und die Gefahr
> daher gross ist das wir nur ueber Rumoren reden und
> die Sache auf
> Kittler beschrenken weil das das einzige ist was
> irgendwie bekannt ist.
> Hier in .nl kommt die Frage auf, wenn ich ueber das
> Vorhaben eines
> Treffens in Amsterdam ueber DMT rede: aber wieso
> Deutsch? Das versteht
> keiner hier. Verena hat da recht. Medientheorie aus
> Letland koennte
> genau so wichtig sein. Aber da habe ich eine andere
> Meinung. Das ist
> dann eben meine persoenliche Wahl (oder Geschmack,
> wenn es sowie
> bezueglich Theorie gebe...).
> 
> Ich persoenlich glaube das die DMT eine wirkliche
> Bereicherung waere
> fuer das internationale neue Mediendiskurs. Ich sehe
> das ganz klar im
> Falle der Internetforschung (www.aoir.org). Das
> kommt nicht weiter, und
> mache eigentlich nur Schritte zurueck richtung
> langweilige
> Sozialwissenschaft. Ich finde den heutigen
> ethnographischen Ansatz
> interessant, aber sie ist selber nicht 'fremd'. Was
> fehlt ist das
> 'abartige'. Damit meine ich das zitieren von
> Nietzsche oder Foucault. Es
> geht um begrifflichen Reichtum, vielleicht sogar
> Poetik um ueber die
> Sprache der Sachverwalter hinauszukommen. Die
> meisten Untersuchungen im
> neue Medienbereich sind kalt, leer und
> standarisiert. Selbst der Meister
> des Synthetisierens, Manuel Castells, ist da noch
> interessant. Genau so
> schlimm ist natuerlich das kombinieren von Deleuze
> und neue Medien, aber
> vielleicht koennen wir darueber ein anderes Mal
> reden. Hauptsache:
> konzeptuell kommt die Anglo-saksische Medientheorie
> nicht weiter. Da ist
> die Stagnation von cultural studies nur ein
> Beispiel.
> 
> Konkret ginge es mir um die Frage wie Eurosprachen
> (Deutsch aber
> vielleicht auch andere...) sich global
> positionieren. Deutsch wird von
> 100 millionen Leute gesprochen, wird aber trotzdem
> oft heruntergeredet
> als bedeutungslos und provinziell. Ich bin damit
> ueberhaupt nicht
> einverstanden. Trotzdem... die Uebersetzungsmachine
> ist nachwievor in
> den Haenden von nekrofilen Akademien und deren
> Verleger. Erst ein toter
> Author laesst sich irgendwie gut vermarkten. Das ist
> aber fatal fuer die
> Gegenwartstheorie. Wir leben im Echtzeitalter und da
> warten die Leser
> nicht mehr 10-30 Jahre. Dazu geraet den
> Gutenbergzentrismus langsam ins
> schwanken. Unter diesen Bedingungen, wie laesst sich
> da neue
> internationale Dialogformen gestalten? Oder noch
> konkreter: soll eine
> Tagung ueber Deutsche Medientheorie in Amsterdam auf
> Englisch gehalten
> werden? Was soll das? An der Uni hier gibt es nur
> noch eine Hand voll
> Exoten die noch Deutsch lesen. Stolz melden die
> Zeitungen das sich im
> ganzen Land 50 Studenten fuer das Deutschstudium
> anmeldeten. Das ist
> eine Verdopplung im Vergleich zu letzten Jahr, ein
> Resultat von
> Millionenschwere Kampagnen. Trotzdem ist eine es
> laecherliche Zahl. Ist
> die Loesung also das wir alle Englisch schreiben
> werden und uns auf
> Englisch unterhalten?
> 
> Gruss, Geert
> 
> 
> 
> > -- 
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