[rohrpost] geldstrafe

Matze Schmidt matze.schmidt at n0name.de
Fre Okt 8 17:14:34 CEST 2004


hallo alvar,

(wenigstens) soli-gruesze! aus berlin wegen des urteils gegen dich und
FreedomFone.
wir diskutierten ein wenig darueber in der n0name-liste.
mein kurzes fazit: du hast wiedermal markiert, was es so an phaenomenen
der ueber-zensur gibt, was wunder. das angebliche grundproblem des
hyperlinking ist ja nicht nur, dasz sie den exakt an dieser stelle der
technik gefuehrten politisch-satirischen medien-aktivismus nicht
kapieren wuerden - geschenkt. dasz das ganze (verfahren, urteil und
hintergrund) auch eine offene verdraengung der thematik
freedom-of-speech + neonazitum seitens der buerokratisch-justizierenden
elite ist, ist klar. nur, dein rueckbau deiner eigenen attacke gegen
Infounfreiheit in datennetzen auf "Rezipientenfreiheit", wie du es nennst
( http://www.heise.de/newsticker/meldung/51930 ), ist mir schleierhaft.
sollen leser jetzt auf leser reduziert werden? ist das die letztliche
rezipozitaet i.d. massen-/individual-medien? »freedom of listening«?

baust du damit nicht der sogenannten medien-vielfalt vor, wie sie u.a.
von monika griefhahn (spd, ausschuss fuer kultur und medien i.
bundestag) immermal wieder propagiert wird, die nichts ist als die
verbraucherschuetzerische variante staatlicher regulierung = sicherung
der maerkte verpackt in volksnahes getue? oder genauer: die steuerung
eines eindimensionalen medienverstaendnisses: ein wenig offene kanaele
und ihr upgrade als bootlabs hier, und etwas mehr brot und spiele da.
wobei, & das ist wichtig, die eindimensioanlitaet nicht der dummheit
entspringt, hyperlinks nicht als zur "Natur des Mediums" internet (heise
online-Newsticker) gehoerig verstehen zu koennen (wobei man ueber
den natur-begriff hier auch nochmal streiten koennte). die these, dasz
diese eindimensioanlitaet als gewollte funktioniert, wurde zu oft zu
sehr als repressions-these abgewertet und miszachtet. ich erinnere mich
zwar an ausfuehrungen von rena tangens darueber (groszer download aber
kleiner upload bei der boesen telekom), doch waren diese sehr schlicht
eingebunden in das recht auf information und gleiche
medienmittel-verteilung, eingebunden also in eine recht- und
rechtsstaatlichkeits-diskussion, mehr nicht (woran sich der foebud un
der ccc ja heute noch abarbeiten).

und nochetwas: "Ein Link an sich ist" eben NICHT "neutral, er wird" eben
nicht "erst durch den Kontext gewertet", sondern setzt selbst schon als
gelenkstelle den kontext als struktur! es ist nicht so, dasz irgendwo der
kontext wartet und dann das vehikel, hyperlink genannt, bereit steht, um
zu ihm zu kommen. medientheorie hat hier mal politischen impetus.

da haben sie deine strategie sehr genau verstanden, alvar.
aehnliches geschah z.b. im fall "Kuhle Wampe" von Brecht 1932, als die
zensur die brisanz des films - naemlich arbeiter-selbstorganisation
gegen das kapital, agitatorisch aufbereitet - analytisch sehr wohl
verstanden hat und entsprechend argumentierte. damals ging es um das
bild samt inhalt; wenn der hyperlink als nichtneutral, sondern bereits
semantisch/semantisierend gewertet werden kann (im sinne der
grammatischen theorien), dann liegt dein fall beinah analog, ohne hier
historisch etwas ueberzustrapazieren. 

bitte zieh doch nicht halb-opportunistisch - auch wenn es anbetracht der
repression in form von geldstrafe schwerfaellt* - die stoszrichtung deiner
aktion aus dem schussfeld, die gerade darin liegt, DASZ die
inhaltsetzenden links die springpunkte sind - und zwar links (technisch
technische wie sozial-technische), die als verknuepfungen das www und
darueber hinaus die gesellschaftliche kulturproduktion grundsaetzlich
bedingen und nicht blosz rezipiert werden sondern aktiv gelegt werden
muessen.

diese ebene betrifft zunaechst mal 'nur' die kulturtechnik, denke ich.
darueber, folgt man deiner politischen orientierung, geht es um
kontrolle und de-kontrolle. denke, da musz die debatte weiter gefaszt
werden, ueber die re-regulierungsfantasien von "infobahnen" und der
spezial-oekonomie von immateriellem gut hinaus. ...

dasz die polizei mehr als genug an den haaren herbeigezogenes
beweismaterial dir anlastete, kann ja auch als indiz dafuer gelesen
werden, dasz nicht nur ein exempel statuiert werden soll, sondern dasz
angriffe gegen kritik immer mal wieder noetig sind, um sogar
buergerrechtlich orientierte projekte wie odem.org klein zu halten, was
unterstellt werden kann. warum nur? die antwort "aus kontrollwahn"
reicht nicht.

grusz!

matze
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