[rohrpost] Rosanne Altstadt verlaesst das Edith Russ Haus Oldenburg
Andreas Broeckmann
abroeck at transmediale.de
Fre Nov 26 15:02:59 CET 2004
TAZ / Medienkunst als Diskurskunst:
http://www.taz.de/pt/2004/11/02/a0291.nf/text
--
Medienkunst kann emanzipatorisch wirken
Ende des Jahres ist Schluss: Rosanne Altstadt gibt ihre Funktion als
Leiterin des Oldenburger Edith-Ruß-Hauses für Medienkunst auf. Die
US-Amerikanerin geht zurück in ihre Heimat und sucht dort neue
Herausforderungen. Altstadt will die Medienkunst als Diskurskunst
etablieren
Rosanne Altstadt übernahm 2001 als Leiterin das gerade begründete
Oldenburger Edith-Ruß-Haus für Medienkunst. In den USA wird sie ab
2005 eine Forschungsstelle an der Purdue Universität (Indiana)
annehmen. Wir sprachen mit der US-Amerikanerin.
taz: Sie haben das Edith-Ruß Haus im Wesentlichen aufgebaut, jetzt
ist es etabliert - und sie gehen.
Rosanne Altstadt: Ich gehe nicht gerne weg, aber ich komme gerne an.
Fehlten in Deutschland vergleichbare Angebote?
Ja. Ich gehe an eine private Uni, wo ich mit einem kuratorischen
Blankoscheck Projekte durchziehen kann, die eine Art Aushängeschild
der Chicagoer Universität sein werden. Meine Stelle ist eine
Forschungsstelle, aber ich habe keinerlei Lehrverpflichtung. Die
Arbeit an den Projekten selbst wird als Forschungsarbeit verstanden.
Das ist aber kein Plädoyer für ein anderes System hier in
Deutschland, denn das ist absolut nicht übertragbar.
Wie unterscheidet sich der Stellenwert von Medienkunst in Deutschland
und den USA?
Ich gehe nicht, weil es hier einen Mangel gibt. Dass ich gehe, hat
auch private Gründe. Ich glaube, dass Medienkunst in Deutschland
einen größeren Stellenwert hat, weil sie hier viel tiefer in einem
medientheoretischen Zugang zur bildenden Kunst verankert ist. Ich
glaube, deswegen wollten sie mich in den USA auch haben. Die deutsche
Kunstsozialisation beinhaltet eine andere Ernsthaftigkeit, da sie
sich im kunstgeschichtlichen Kontext denkt. Das war für mich jetzt
ein Karrierevorteil.
Wäre da nicht eine Großstadt ein besseres Sprungbrett gewesen?
Als ich nach Oldenburg kam, musste ich überall hingehen und erklären,
was Medienkunst ist. Aber inzwischen sehe ich die Größe dieser Stadt
als großen Vorteil. Man kann leichter mit anderen Einrichtungen
kooperieren, wie mit der Uni. Da gibt es einen Masterstudiengang
Medienkunst, in dem ich auch Dozentin bin und der seine
Abschlussarbeiten in unserem Haus zeigt. Es gibt einen
freundschaftlichen Kreis voller bürgerschaftlichem Engagements, der
das Haus mit trägt.
Man konnte den Eindruck gewinnen, die Ausstellungen selbst seien gar
nicht laufend besucht, sondern eher die performanceartigen
Vernissagen zögen ihr Stammpublikum an.
Ich habe das Haus nie als Museum gesehen, sondern als einen Ort für
Diskurse. So ist das Programm auch konzipiert. Ausstellungen wechseln
sich ab mit Veranstaltungen und Gesprächen, die wiederum die
Ausstellungen inhaltlich vorbereiten. So kann das Gespräch breiter
kreisen.
Man könnte der Medienkunst auch vorhalten, dass sie sich nicht aus
sich selbst heraus erklärt, also die kunstimmanenten Mittel nicht
reichen, so dass es derartiger Diskurse bedarf, damit man sie kapiert.
Medienkunst versteht sich anders als traditionelle Kunst. In der
Malerei und der Zeichnung ist es eher so, dass die Künstler selbst
nicht sprechen. Die Kunst ist ihr Mittel. Medienkunst aber ist stark
diskursiv, das ist ein Teil des Kunstwerkes. Darum habe ich immer
darauf bestanden, dass das Haus ein Durchlaufort für Informationen
sein kann.
Ein weiterer Vorwurf: Medienkunst begibt sich über Soft- und
Hardware-Sponsoring in Abhängigkeit von den Schöpfern der Krieg- und
Überwachungstechnologie, die wird nur ästhetisch bemäntelt.
Es gab eine Zeit, da ging es der Medienkunst tatsächlich um die
neueste Technologie, aber die ist längst Teil unseres Alltags, und
das greift Medienkunst auf. Auch Streaming Media
(Überwachungstechnologien, d. Red.) sind Teil unseres Alltags. Man
muss das nicht in Form eines Bankautomaten akzeptieren, sondern kann
frei damit umgehen. Wir dürfen den Umgang mit den Medien nicht
einfach immer nur den anderen überlassen. Insofern kann Medienkunst
emanzipatorisch wirken.
Sie sind seit elf Jahren in Deutschland. Welches Land haben Sie
verlassen - und in welche USA kehren Sie zurück?
Ich verließ ein Land, in dem es eine sehr große Energie gibt und eine
Art der Gesprächsführung, die immer positiv ist. In welches Land ich
zurückkomme, weiß ich nicht. Ich habe dort die Verbindung zum Alltag
verloren.
Fragen: "Marijke Gerwin
taz Nord Nr. 7503 vom 2.11.2004, Seite 23, 141 Zeilen (Interview),
Marijke Gerwin