[rohrpost] Re: Memorial, November usw.
sebastian at rolux.org
sebastian at rolux.org
Die Nov 2 23:35:26 CET 2004
> memorial://November2004
> !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
> {A Virtual Memorial} -
> Mahnmal Projekt gegen das Vergessen und für Menschlichkeit
> ~New Media Kunstumgebung~
> www.a-virtual-memorial.org <http://www.a-virtual-memorial.org>
was mir - vom begriff des "virtuellen mahnmals" mal ganz abgesehen - nicht in
den kopf will, ist, warum immer GEGEN vergessen und FÜR menschlichkeit agitiert
wird, obwohl die geschichte der weiter unten betrauerten gewalttaten doch
nahelegt, dass am beginn massenhaften mordens meist gerade das unvermögen steht,
vergangene demütigungen und niederlagen zu vergessen, und gerade die berufung
auf den angeblichen menschen und das vermeintlich menschliche an seiner
sogenannten menschlichkeit. kann nicht endlich mal jemand ein mahnmal einrichten
(eins bloss!) FÜR das vergessen, und GEGEN die menschlichkeit?
> Der Monat November ist ganz
> den Opfern von staatlicher Verfolgung und Gewalt gewidmet.
und was ich auch nicht verstehe: wie widmet man einen monat?
> Ferner gedenkt {A Virtual Memorial}
> 2004,
> dem Internationalen Jahr zum Gedenken der Abschaffung der Sklaverei -
und wie gedenkt man eines gedenkjahres?
> und folgenden Ereignissen--->
> .
> 04. November 1995 - Yitzak Rabbin ermordet
> 07. November 1917 - Beginn der Oktoberrevolution in Russland
> 09. November 1938 - Reichsprogromnacht
> 09. November 1989 - Fall der Berliner Mauer
> 16. November 2004 - Internationaler Tag der Toleranz
und was, um himmels willen, geht in einem kopf vor, der diese liste
durchgedenkt? yitzhak rabin muss wohl, weil jude, ein rabbi gewesen sein, dessen
mit bloss einem b zu gedenken nicht reicht; der 9. november 1938 scheint im
begriff der "kristallnacht" noch zu präsent, weswegen einer pogromnacht gedacht
werden muss, die ja nicht etwa von legasthenikern andauernd falsch geschrieben
wird, sondern von leuten, die keine spur einer anschauung davon haben, was der
begriff, mit dem sie hantieren, eigentlich bedeutet; und was die oktober-
revolution mit all dem zu tun hat, wird erst mit dem "fall der berliner mauer"
klar: dass sie nämlich ein "ereignis" war, dessen "opfer" - um die es hier ja zu
gehen scheint, da in sachen 1938 doch wohl auch nicht der nazis gedacht werden
soll - sich mit den ermordeten juden europas und den wiedervereinigten deutschen
zum universellen gedenkbrei des 20. jahrhunderts verquirlen lassen, in dem nicht
nur deutschland wieder eins ist, sondern ALLES. weswegen es auch völlig wurscht
ist, ob man des internationalen tags der toleranz bereits zwei wochen im voraus
gedenkt oder erst drei wochen später, am tag der menschenrechte, deren
fortwährende missachtung zu tolerieren 365 tage im jahr programm der
gedenkredner und mahnmalsmanager ist, und die nichts wert sind, solange sie es
den toten nicht erlauben, gegen die in ihrem namen betriebene nivellierung der
geschichte vor ein ordentliches gericht zu ziehen.
vielleicht ist es aber auch bloss ein intelligenztest. also: wie wäre die
folgende liste fortzusetzen?
> 04. November 1995 - Yitzak Rabbin ermordet
> 07. November 1917 - Beginn der Oktoberrevolution in Russland
> 09. November 1938 - Reichsprogromnacht
> 09. November 1989 - Fall der Berliner Mauer
> 16. November 2004 - Internationaler Tag der Toleranz
zur auswahl stehen:
a) 02. November 2004 - Präsidentschaftswahlen in den USA
b) 22. November 1963 - John F. Kennedy ermordet
c) 21. November 2004 - Internationaler Tag des Fernsehens
-- und, p.s., dann habe ich es doch noch bis zuende gelesen:
> Daß die Wirklichkeit jedoch anders aussieht, zeigt dies Projekt
> insbesondere,
> wenn man der "Reichstprogromnacht 1938" gedenkt, wo am 9. November in einer
> Aktion von Staatsterror
> ein Großteil der tausenden von jüdischen Synagogen ind Deutschland zerstört
> wurden,
> dass Phänomene wie "Völkermord", Verfolgung und Gewalt die Basis eines jeden
> totalitären Regims darstellen, und auch gegenwärtig in bestimmten Teilen der
> Welt praktiziert werden, ohne dass es die Öffentlichkeit wahrnimmt. Nicht
> ein einziges dieser Opfer sollte vergessen werden!
wenn man diesen satz von vorn bis hinten liest - wozu er gewiss nicht gedacht
war - dann zeigt sich, dass sein autor nicht nur "gedenkt", sondern, "gedenkt,
dass", und was er gedenkt, ist, dass die verbrechen der nazis - statt einfach
bloss zu belegen, dass die nazis verbrecher waren - ein "phänomen" sind, dessen
konkrete form, völkermord, in anführungszeichen gesetzt gehört, und dessen
opfer, statt endlich in frieden ruhen zu dürfen, ständig neu wiederausgegraben
werden müssen, um zu beweisen, dass sie nicht von den deutschen, sondern vom
"staatsterror" umgebracht worden sind, und dass die nazis nur ein totalitäres
regime unter vielen waren, eine sudanesische reitermiliz des deutschen reiches.
und: wer nicht ausnahmslos alle "diese opfer" - von denen an dieser stelle
ohnehin schon niemand mehr sagen könnte, wem sie wie, wann und warum zum opfer
gefallen sind - aufzählen kann, sich aber dennoch hinstellt und fordert, "nicht
ein einziges" zu vergessen, der ist selbst - mehr noch als bloss ein verlogener
trottel - ein weiteres opfer dieser widerlichen gedenksprache, die, statt dass
er sie wenigstens beherrschte, bloss sang- und klanglos durch ihn durchspricht
und erinnern wie vergessen unmöglich macht.