[rohrpost] DigiRent - Rentenanstalt für digitale Künstler
martin krung
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Mit Mar 17 02:00:28 CET 2004
**** Rentenanstalt für digitale Künstler ***
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http://digirent.krungkuene.org
gruss
martin krung
**** Abstrakt ****
Für digitale Kunst gibt es einen kleinen Markt: die perfekte
Kopierbarkeit, die komplexen Inhalte und die schlechte Haltbarkeit
erschweren den Verkauf von Werken.
Das Rentensystem sollte, wenn schon nicht heute, so doch in der Zukunft,
dem digitalen Kunstschaffenden einen Ertrag seiner Arbeit einbringen.
Das Rentensystem sichert den Künstler und die Künstlerin gegen die
Unwägbarkeiten des Kunstmarktes ab: Ein paar Künstler und Künstlerinnen
verdienen gut, während die Meisten von ihrer Arbeit kaum leben können.
**** Was ist digitale Kunst? ****
Digitale Kunst ist Kunst, die nur in digitaler Form präsentiert werden
kann. Sie nutzt den Computer und Computernetzwerke als Medium. Wird das
Kunstwerk analog umgesetzt, gehen zentrale Aspekte der Wirkung und
Aussage verloren.
Digitale Kunst grenzt sich klar ab von der Computer Generierten Kunst,
welche den Computer als Werkzeug einsetzt und deren Werke ohne
Bedeutungsverluste in analoge Form überführt werden kann.
Eine zentrale Qualität der digitalen Kunst ist die Möglichkeit des
Besuchers, mit dem Kunstwerk interagieren zu können. Um diese
Interaktivität zu bewerkstelligen, bestehen die Arbeiten zumindest
Teilweise aus Software.
Die Digitale Kunst zeichnet sich durch die unendliche Kopierbarkeit und
das nicht vorhanden sein eines Originales aus. Digitale Kunst kommt,
abgesehen von herkömmlichen Ein/Ausgabegeräte wie Tastatur, Maus,
Monitor und Lautsprecher, ohne spezielle Geräte und Sensoren aus. Durch
ihre perfekte Kopierbarkeit und die universelle Hardware grenzt sich die
Digitale Kunst gegenüber der computer-gestützten Installationen ab.
**** Kunstmarkt und Digitale Kunst heute ****
Ausgenommen von Wettbewerben an Festivals und Stipendien gibt es für
digitale KünstlerInnen keine Einnahmen, denn ein freier Markt existiert
nicht.
Die Gründe dazu sind vielfältig:
=== Verlust des Originales===
Weil Digitales identisch kopierbar ist, gibt es kein Original.
=== Es gibt unendlich viele Kopien ===
Der Wert eines Werkes sinkt, je mehr Kopien davon hergestellte werden.
Beim digitalen Werk gibt es potenziell unendlich viele Kopien die
beinahe kostenlos zu erstellen sind.
=== Digitales ist schlecht haltbar ===
Weil digitale Werke immer an Betriebssysteme und Software gebunden sind,
die wiederum von bestimmten Hardwareplattformen abhängen, ist Digitales
schlecht haltbar. Software entwickelt sich rasch weiter und Hardware ist
chemisch instabil und geht schnell kaputt.
=== Digitales taugt nicht zur Wertanlage ===
Der Hauptgrund zum Kauf eines Kunstwerkes ist die Anziehungskraft die
ein Werk ausstrahlt. Neben diesem irrationalen Grund gibt es aber auch
einen rationale Grund: Ein Kunstwerk ist ein Gegenstand, der keinem
Wertzerfall unterliegt. Viele Werke verzeichnen mit zunehmendem Alter
sogar einen Wertzuwachs. Digitale Werke verhalten sich da mehr wie
Lebensmittel: Sie zerfallen rasch.
=== Die Präsentation ist schwierig ===
Digitale Werke werden auf einem Computer dargestellt. Für viele Leute
ist der Computer ein magisches Ding. Sie benutzen ihn, weil das heute so
üblich ist und verstehen nicht, was in einem Computer abläuft. Diese
Unsicherheit gegenüber dem Computer verhindert häufig eine vertiefte
Auseinandersetzung mit dem Inhalt einer Arbeit.
Der überhöhte Respekt gegenüber der digitalen Kunst ist fehl am Platz.
Wie bei der bildenden Kunst geht es auch in der Digitalen Kunst um
Inhalte. Um die Inhalte zu begreifen, reicht ein Grundwissen über das
Medium vollauf, ein vertieftes Verständnis für die Technik ist nicht
nötig.
=== Digitale Kunst ist komplex ===
Arbeiten, die mit dem komplexen Werkzeug Computer erzeugt werden,
tendieren dazu auch inhaltlich komplex zu sein. Ein Grund dafür ist aber
auch, dass digitale Kunst von einem kleinen Zirkel rezipiert wird.
Vielfach werden Kunstwerke für diese Zielgruppe produziert, was zur
Folge hat, dass sie hinreichend komplex sein müssen, damit sie überhaupt
als innovativ akzeptiert werden.
**** Die Zukunft ****
Das ganze Rentensystem basiert auf der Annahme, dass es in Zukunft einen
Markt für digitale Kunst geben wird und vernünftige Preise bezahlt
werden.
=== Mehrere Gründe bewegen mich zu dieser Einschätzung ===
Die Kunst hat die Aufgabe, die jeweilige Zeit, in der sie geschaffen
wurde, zu repräsentieren. Digitale Kunst aus den Anfängen der
Digitalisierung wird wichtig sein, weil sie diese Zeit und die dadurch
ausgelöste gesellschaftliche Veränderung repräsentiert.
Digitales wird als eigenständige Kunstrichtung akzeptiert sein. Damit
steigt auch die Zahl der potenziellen Käufer und die Nachfrage nach
alten Werken steigt.
Alte digitale Kunstwerke werden wegen ihrer schlechten Haltbarkeit eine
extreme Mangelware sein. Durch das kleine Angebot wird für die noch
existierenden Werke hohe Preise bezahlt.
**** Die Rentenanstalt für digitale Künstler ****
Um auch dem digitalen Künstler und der digitalen Künstlerin einen Ertrag
durch ihre Werke zu ermöglichen, wird eine Rentenanstalt für digitale
Künstler gegründet.
=== Die Rentenanstalt verfolgt diese Ziele ===
-Den digitalen KünstlerInnen und den KonservatorInnen, wenn noch nicht
heute, so doch in Zukunft einen finanziellen Ertrag zu ermöglichen.
-Die Dynamik eines Kunstmarktes, auszugleichen, der ein paar
KünstlerInnen gut verdienen lässt, während dem die Meisten von ihren
Werken kaum leben können.
-Die Kunstschaffenden an der Wertzunahme ihrer Werke teilhaben zu
lassen, von dem sie, haben sie ihr Werk einmal verkauft, normalerweise
ausgeschlossen bleiben.
-Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit auf die Tatsache, dass digitale
Werke schlecht haltbar sind und somit ein Kulturverlust droht.
-Die Förderung der Konservierung von digitalen Werken durch Kapselung
von Betriebssystem, Software und Projekt. Mehr zur Konservierungsmethode
unter http://www.conservix.org
**** Wie funktioniert das Rentensystem ? ****
Statt mit Geld, wie bei einer normalen Vorsorgekasse, bezahlt der
Künstler oder die Künstlerin mit einem Werk.
Eine von den Beitragszahlern bestimmte Jury schätzt den Wert der Arbeit
in einem Einheitsmass.
Der Künstler oder die Künstlerin tritt das Verwertungsrecht eines Werkes
an die digitale Rentenanstalt ab. Die Rentenanstalt stellt das Werk
unter die Rentenlizenz.
Die Rentenlizenz ist wie eine Softwarelizenz aufgebaut. Sie macht die
kommerzielle Nutzung des Kunstwerkes kostenpflichtig.
Die Verwertungsrechte sind unverkäuflich und bleiben im Besitz der
Rentenanstalt. Ein Käufer des Werkes besitzt nicht die Arbeit, sondern
wie bei einer Software üblich, nur bestimmte Nutzungsrechte.
Wird die Arbeit kommerziell genutzt, wird eine Lizenzgebühr fällig. Das
nicht kommerzielle Benutzen, das Kopieren und Weiterverbreiten der
Arbeit ist erlaubt.
Wenn jemand ein digitales Werk mit der Conservix-Methode für einen
Künstler oder eine Künstlern konserviert, so wird auch seine
Arbeitsleistung als Beitrag an die Kasse gezählt. Der Konservator oder
die Konservatorin erhält ebenfalls einen Rentenanteil. Dies ist nötig,
weil der Künstler oder die Künstlerin so kein Geld für die Konservierung
aufbieten muss.
===Die digitale Rentenanstalt übernimmt folgende Aufgaben ===
-Die Renten jährlich wiederkehrend auszuschütten.
-Die Lizenzgebühren einzutreiben.
-Eine Jury zur Beurteilung der Arbeitsleistung zur Wahl vorzuschlagen.
-KünstlerInnen und KonservatorInnen zusammenzubringen und Know-How über
die Konservierung von digitaler Kunst zu vermitteln.
-Ein Archiv für alle Werke zu betreiben und die Arbeiten der
Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
**** Warum es sich für einen digitalen Künstler lohnt mitzumachen ****
-Es gibt keinen Markt für digitale Kunst. Ein Ertrag ist darum heute
nicht realisierbar. In Zukunft vielleicht schon.
-Auch wenn der Kunstschaffende qualitativ hochstehende Arbeiten macht,
weiss er nicht, ob er je Erfolg haben wird. Durch das Rentensystem
verliert er zwar einen Teil eines potenziellen Ertrages, wird dafür aber
am Erfolg anderer Künstler beteiligt.
-Der Künstler ist normalerweise ausgeschlossen von der Wertsteigerung
seiner Werke. Das Rentensystem ermöglicht es, durch die Rentenlizenz von
dieser Wertsteigerung zu profitieren.
-Der digitale Künstler und die digitale Künstlerin bekommt durch das
vorhandene Konservierungs-Know-How der Rentenanstalt die Möglichkeit,
seine Arbeit zu konservieren und damit sein Oeuvre zu bewahren.
-Die Rentenanstalt übernimmt die Promovierung, Archivierung der Werke
und das Eintreiben der Lizenzgebühren.
**** Der Rentenschlüssel ****
=== Direktzahlungen an den Urheber oder die Urheberin ===
Ein Künstler oder ein Künstlerin, deren Werke sich in Zukunft als
erfolgreich herausstellen, soll davon auch profitieren. Das Ganze ist so
aufgebaut, das ein Autor oder eine Autorin erfolgreicher Werke mehr
Rente erhält als ein erfolgloser Künstler oder erfolglose Künstlerin.
25 Prozent des Ertrages eines Werkes werden an den Künstler oder die
Künstlerin und dessen Konservator oder Konservatorin ausgeschüttet. 20
Prozent davon erhält der Künstler oder die Künstlerin und 5 Prozent
daovn der Konservator oder die Konservatorin.
Ohne Direktzahlungen funktioniert dieses System nicht. Der finanzielle
Anreiz ist nötig, da sonst bei einem solchen System keine KünstlerIn
mitmachen würden, die denken, dass sie einmal Erfolg haben werden.
=== Verwaltung ===
Wie jede Rentenanstalt benötigt auch die digitale Rentenanstalt Gelder,
um ihre diverse Aufgaben wahrzunehmen. Vorgesehen sind 25 Prozent der
Gesamt-einnahmen. Da das Ziel der digitalen Rentenanstalt nicht darin
besteht Profit zu machen, werden überschüssigen Geldmittel direkt den
Renten zugeschlagen.
=== Renten ===
Die restlichen 50 Prozent der Einnahmen sind für die Renten bestimmt. 40
Prozent davon gehen an die Künstler und Künstlerinnen, wobei sich die
Höhe der Rente am Umfang der eingereichten Arbeiten misst. Die
restlichen 10 Prozent sind für die KonservatorInnen bestimmt, die so für
ihre Arbeit entlohnt werden.
**** Beispielrechnung ****
Hier wird die Auswirkung des Rentenschlüssels anhand von fiktiven Zahlen
beispielhaft gezeigt.
=== Einnahmen ===
Es wird davon ausgegangen, dass die Arbeiten von 64 KünstlerInnnen
nicht nachgefragt wird, ein paar Arbeiten ein wenig Nachgefrage
erfahren und eine Arbeit einen Erfolg ist.
für 100 Arbeiten:
64 x 0 = 0
20 x 500 = 10'000
10 x 1000 = 10'000
5 x 2000 = 10'000
1 x 10000 = 10'000
======
jährliche Einnahmen 40'000
=== Direktzahlungen ===
25 Prozent werden direkt an die jeweiligen UrheberInnen und den
KonservatorInnen der Werke ausbezahlt. AutorInnen erfolgloser Werke
gehen hier leer aus.
20% an den Künstler/Künstlerin
5% an den Konservator/Konservatorin
KonservatorInnen | KünstlerInnen
-----------------------------------------------------------------
64 x 0 + 64 x 0
20 x 25 + 20 x 100 = 2'500
10 x 50 + 10 x 200 = 2'500
5 x 100 + 5 x 400 = 2'500
1 x 500 + 1 x 2'000 = 2'500
=======
10'000
=== Verwaltung ===
Geschätzte 25 Prozent sind Verwaltungskosten. Ein allfälliger Überschuss
kommt vollumfänglich den Renten zugute.
10'000 / 30 = 330 Stunden Arbeit pro Jahr
6.5 Stunden Arbeit pro Woche
=== Renten ===
Die restlichen 50 Prozent kommen den Renten zugute. Auch erfolgreiche
KünstlerInnen, die schon Direktzahlungen beziehen, bekommen Rente.
40% an die KünstlerInnen
10% an die KonservatorenInnen
KonservatorInnen | KünstlerInnen
-----------------------------------------------------------
100 x 40 + 100 x 160 = 10'000
=== Total ===
Dies ist das Totalergebnis. 64 KünstlerInnen, deren Werke erfolglos
sind, bekommen 160 pro Jahr und deren KonservatorInnen 40. Der
erfolgreichste Künstler oder die erfolgreichste Künstlerin hingegen
bekommt 2'160 pro Jahr.
KonservatorInnen | KünstlerInnen
--------------------------------------------------------
64 x 40 = 2560 | 64 x 160 = 10'240
20 x 65 = 1300 | 20 x 260 = 5'200
10 x 90 = 900 | 10 x 360 = 3'600
5 x 140 = 700 | 5 x 560 = 2'800
1 x 540 = 540 | 1 x 2'160 = 2'160
===== ======
6000 24'000
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