[rohrpost] Fwd: "Das Politische und das Kino"
Krystian Woznicki
kw at berlinergazette.de
Mon Aug 25 12:37:44 CEST 2003
Freunde der Deutschen Kinemathek e.V.
Kino Arsenal 1 & 2
im Filmhaus am Potsdamer Platz - 10785 Berlin
Tel.: 030-269 55-100 - www.fdk-berlin.de
PRESSEMITTEILUNG
Thema des Monats: Das Politische und das Kino
1. bis 30. September 2003
Wieder einmal widmen wir uns fast einen ganzen Monat lang einem einzigen
Thema. "Das Politische und das Kino" versucht sich der Vielzahl von Formen,
Ansätzen, Themen und Wechselbeziehungen zu öffnen, die wir in drei
Programmblöcken gebündelt haben: 1. Dokumentieren, 2. Die Ästhetik der
Intervention, 3. Aktivismen. Dabei wird ausschließlich das zeitgenössische
Filmgeschehen in den Blickpunkt rücken.
Bei der Tagung "Eine andere Kunst,ein anderes Kino", die 2000 im Arsenal
stattfand, sprach Raymond Bellour von einem "Kino der Verwirrung", das an
die Stelle eines "Kino der Aufklärung" getreten sei. Damit sprach er
allerdings nicht den Verlust eindeutiger Koordinaten wie das "Politische"
oder "Ästhetische" an, auch nicht den der Genres oder gar das Kinosterben.
In seinem Vortrag war vielmehr die Rede von installativen Versuchen in
Ausstellungskontexten, die das Kino zitieren, transformieren, kopieren
(durchaus dabei auch mal ignorieren), immer aber zwei Qualitäten bestehen
lassen: das Erzählen und die Beziehung zur Realität. Bellour eröffnet damit
einen neuen, historisierenden Blick auch auf das Kino: Die Geschichte
seiner Vielfalt und Veränderungen vermag seine Spezifika wieder deutlich
werden zu lassen.
Zu ihrer Sichtbarmachung gehört auch ein Überschreiten der institutionellen
Grenzen, nicht nur hin zu Galerien. Zwar tauchen auch hier vermehrt
politische Dokumentarfilme, aktivistische Clips oder intervenierende
Medienprojekte auf, doch sind es gerade auch politische, theoretische und
kulturelle Zusammenhänge jenseits institutioneller Strukturen, die Film und
Video aus unterschiedlichen Gründen in ihrer Arbeit einsetzen.
Aktivismen
Indem wir Gruppen und Personen ins Arsenal einladen, die dies tun, wollen
wir die Orte und ihre Bedeutung umreißen, an denen Publikum auftaucht, um
etwas filmisch zu erfahren, denn das ist es, was Kino als erstes definiert.
Eingeladen sind das Videokollektiv AK KRAAK, der bundesweite
Zusammenschluss gegen Rassismus und für die Autonomie der Migration Kanak
Attak, A-Clip als Kurzfilmproduktion, die subersiv in Werbeblöcke
eingreift, b_books als Buchladen, Verlag, Film/Videoproduktion und
Veranstaltungsort, die Werkleitzgesellschaft als Medienwerkstatt und
themenorientiertes Festival, das FrauenLesben Film Collectif und die (nicht
mehr bestehende) Gruppe dogfilm.
Auch die Theorie bildet Räume, so spricht der Filmwissenschaftler Marc
Siegel zum Thema Queer Cinema ("Decorating Power:Queer Cinema ’s Beautiful
Politics") und auch die konzeptionelle Zusammenstellung von Filmen: Florian
Wüst, Kurator für experimentellen Film und Videokunst im Bereich des
politischen Kinos, präsentiert ein Programm mit dem Titel "Act Now".
(Programm siehe Anhang: Aktivismen)
Aber auch innerhalb des Kinos hat eine Entwicklung stattgefunden, deren
Komplexität es lohnt, eine Art Bestandsaufnahme vorzunehmen,was wir in zwei
weiteren Filmreihen tun.
Dokumentieren
Bei genauerer Betrachtung erinnert das zeitgenössische Kino, dem wir uns
hier ausschließlich widmen, vielleicht doch an den alten Dualismus Politik
und Ästhetik: In der Reihe "Dokumentieren" geht es um etwas Fundamentales,
das immer wichtiges Kriterium der Arbeit der Freunde der Deutschen
Kinemathek und des Forums war: Kino transportiert Informationen, stellt
filmische Räume her, d.h.eine Nähe zwischen Orten, die geographisch weit
voneinander entfernt sind. So werden Kenntnisse und Einblicke ermöglicht,
die schlicht den Horizont erweitern und Solidarität oder gegebenenfalls
Kritik und Intervention hervorrufen.
Es ist richtig, dass der Dokumentarfilm eine Blütezeit erreicht hat,
niemals sind so viele Filme und Videos entstanden wie in den letzten
Jahren. In der Reihe "Dokumentieren" zeigen wir Beispiele, die unserer
Meinung nach jenen "filmischen Raum", in dem sie Informationen vermitteln,
reflektieren und ihrem Anliegen entsprechend sozusagen architektonisch
erzeugt haben.
(Programm/Termine siehe Anhang: Dokumentieren)
Die Ästhetik der Intervention
Mit der Geschichte des politischen Films sind Filmkollektive verbunden, die
in den 70er Jahren mit dem Aufkommen des leicht zu handhabenden 16mm-Films
in fast allen Ländern, in denen überhaupt mit Film gearbeitet wurde, aus
politischen Bewegungen heraus entstanden sind.Als Vorbild fungierten dabei
lateinamerikanische Filmbewegungen. In Frankreich waren es z.B. die
Cinétracts, die so entstanden, in Deutschland war es das Umfeld der DFFB um
Holger Meins,Harun Farocki, Helke Sander u.v.a., in dem kollektiv
gearbeitet wurde, in Hamburg die FilmCoop oder Newsreel in New York.
Parallel zur politischen Avantgardebewegung, die überall in der Welt
Filmkollektive hervorbrachte, in denen intervenierend mit dem Machtmedium
Film experimentiert wurde, bildete sich in den 60er Jahren eine Avantgarde
heraus, die sich der Sprache des Films, seinen Darstellungsformen und der
Struktur des Kinos widmete; dazu gehörten Filmemacher wie Jean-Luc Godard,
Jean-Marie Straub und Danièle Huillet. Sie entwickelten eigene Strategien,
ästhetische Konzepte und Handschriften und versuchten gerade nicht, die
Autorenschaft der Idee des Kollektivs unterzuordnen.Innerhalb der
Kinogeschichtsschreibung ist dies wohl der Teil der Avantgardebewegung, der
sich nicht nur stärker durchgesetzt, sondern bis heute weiter entwickelt
und ausdifferenziert hat. In der Reihe "Die Ästhetik der Intervention"
zeigen wir Filme, die dieser historischen Dimension Ausdruck verleihen,
obwohl sie alle neueren Datums sind: Farocki steht in dieser
zeitgenössischen Kontextualisierung nun neben Straub/Huillet, Bitomsky
neben Akerman und Varda, aber genauso sind FilmemacherInnen einer jüngeren
Generation vertreten, wie Hito Steyerl oder Avi Mograbi. Allen gemeinsam
ist eine ebenso persönliche wie künstlerische Ausdrucksform, mit der sie
versuchen,das Kino, oder auch den Kunstraum, zur politischen Intervention
nutzbar zu machen.
(Programm/Termine siehe Anhang: Die Ästhetik der Intervention)
Auch andere Programme dieses Monats widmen sich der Frage des Politischen
im Kino, so der FilmClub
(<http://www.fdk-berlin.de/arsenal/text2003/0903filmclub.html>), N wie …
(<http://www.fdk-berlin.de/arsenal/text2003/0903niederlande.html>), die
Reihe "Conceptualisms"
(<http://www.fdk-berlin.de/arsenal/text2003/0903conceptualismus.html>), das
Programm der NGBK
(<http://www.fdk-berlin.de/arsenal/text2003/0903world.html>), die Golden
Feminists, das Programm zur Ausstellung "Götterdämmerung" im Filmmuseum
(Die Verdammten, Luchino Visconti, I 1969)
(<http://www.fdk-berlin.de/arsenal/text2003/0903visconti.html>), eine
Veranstaltung zum 11.9.
(<http://www.fdk-berlin.de/arsenal/text2003/0903september.html>), zwei zum
Thema "Nationalismus in Indien" (<http://www.fdk
-berlin.de/arsenal/text2003/0903hindu.html>) und das Festival 1000 Fragen
(<http://www.fdk-berlin.de/arsenal/text2003/0903fragen.html>).
Über eine redaktionelle Erwähnung der Reihe würden wir uns
freuen. Informationsmaterial, Fotos und Sichtungskassetten erhalten Sie unter
Tel.: 269 55 -143/-100 und jz at fdk-berlin.de.
Mit freundlichen Grüßen,
Freunde der Deutschen Kinemathek, 21.8.2003