[rohrpost] Internet als Medium
Florian Cramer
cantsin@zedat.fu-berlin.de
Fri, 15 Mar 2002 16:41:15 +0100
Am Fri, 15.Mar.2002 um 01:01:36 +0100x schrieb carsten:
> Hirschsteiner schrieb:
>
> > lieber Florian,
> > liebe Liste!
>
> > ... Wenn das Internet nicht zu den Medien zu rechnen ist (mit dem Begriff
> > des Massenmediums habe ich auch so meine Probleme!), was ist es dann?
>
> vielleicht ist es nach luhmann nur die strukturbildende form (für verschiedene
> medien)?
Aus meiner Sicht: eher letzteres. Ich halte die Bezeichnung von
Computern als "Medien" bzw. "Medium" für falsch; und nennt man das
Internet ein "Medium", so fragt sich zunächst, was genau man als
Internet definiert.
Mein Begründung im Detail:
1) Computer sind programmierbare Rechenmaschinen, die jede andere
Maschine entweder simulieren oder durch Koppelung mit Endgeräten (vom
Bildschirm bis zum Roboterarm) ersetzen können.
Daraus folgt, daß - wie man zur Zeit erleben kann - auch alle
technischen Medien vom Grammophon bis zum Video in Computern
implementiert werden können. Daraus folgt aber nicht, daß umgekehrt
Computer (bloß) ein Medium, bloß eine Zeichenübertragungstechnologie
sind. Wenn Computerprogramme z.B. den Dispokreditrahmen von Girokonten
berechnen oder, um ein extremes Beispiel zu wählen, die Funktionen
einer lebenserhaltenden Maschine auf einer Krankenhaus-Intensivstation
steuern, so ist dies mit dem Begriff des "Mediums" nicht mehr sinnvoll
zu fassen.
Schon wenn man sich auf eine Mailingliste wie dieser hier subskribiert
und entsubskribiert, kommuniziert man mit einem Computerprogramm wie
Majordomo und Mailman, das nicht nur ein Übertragungskanal, sondern
(in den kognitiven Grenzen formaler Prozeßsteuerung) selbst Empfänger
und Sender von Zeichen ist.
2) Das Internet hingegen könnte man tatsächlich als Medium
(Übertragungskanal) bezeichnen, wenn man es bloß als die
Netzwerkkanäle zwischen vernetzten Computern und ihren Benutzern
definiert. Netzwerke sind die Medien, mit denen Computer untereinander
kommunizieren.
Schwieriger wird es allerdings, wenn man als das Internet nicht nur
die Netzwerkkabel, Router und Switches sowie die Softwarearchitektur,
die nur der Signalübermittlung als solcher dient (DNS,
Netzwerkprotokolle, Routingtabellen) definiert, sondern auch die
angeschlossenen Rechner selbst: Web-, Mail-, FTP-, IRC-, News-Server,
Rechner in Filesharing-Netzwerken etc.. Zählt man auch die
angeschlossenen Computer zum Internet, so ist es ein verteiltes,
programmierbares Rechnersystem, für das aus den unter 1) genannten
Gründen der Begriff "Medium" zu kurz greift.
Florian
--
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