[rohrpost] Fwd: Die radikale Rechte und der "Antiimperialismus"

Krystian Woznicki krystian@snafu.de
Thu, 10 Jan 2002 16:54:45 +0100


Phrasen und Traditionen
Die radikale Rechte und der "Antiimperialismus"

Rechtsextreme suhlen sich in populitischem Antiamerikanismus

Von Peter Bern (redaktion@der-rechte-rand.de)


Die extreme Rechte um die NPD gef=E4llt sich zunehmend in der Rolle des
Revolution=E4rs und antiimperialistischen Volksbefreiers. Auch in den
Reaktionen auf die Anschlagserie in den USA behaupten sich die
Antiwestler. Mit antiamerikanischer und antikapitalistischer Rhetorik
inszenieren sie sich als "letzte Opposition". Doch ihre der linken
Terminologie entlehnten Begriffe spuken wie k=F6rperlose Schatten durch die
Texte und gehen in ihrer Phrasenhaftigkeit =FCber deren Inhalte weit
hinaus.

Dennoch ist die Verwendung revolution=E4rer Parolen nicht erstaunlich. Sie
sind durch die gesellschaftliche Marginalit=E4t der radikalen Linken vakant
geworden. Doch auch in der Vergangenheit waren sie schon Teil rechter
Ideologie, mit ihnen lie=DF sich das Bed=FCrfnis nach Sozialkritik
befriedigen. Denn keineswegs macht rechtes Unbehagen in der modernen
Kultur immer vor deren kapitalistischer Verfasstheit halt.

Eine wesentliche Trennlinie des deutschen Konservatismus von Aufkl=E4rung
und Liberalismus, die von der extremen Rechten =FCbernommen wurde, markiert
das Verh=E4ltnis der Deutschen zum "Westen". Eine Westbindung der deutschen
Nation war stets umstritten oder wurde abgelehnt. Diese Ablehnung
ber=FChrte zentrale gesellschaftliche Fragen, wie die der Staatsform, der
=D6konomie und des Wertesystems. Das Reich sollte eine dem "deutschen
Volksgeist" entsprechende eigene Ordnung jenseits von Demokratie und
Kapitalismus oder gar sozialistischem Internationalismus erhalten. Der
Kalte Krieg und das antikommunistische Paradigma lie=DFen diese Trennlinie
verschwommener erscheinen. Kein Wunder, dass sie nach Ende der
Blockkonfrontation, zumal in Zeiten westlicher Krise, wieder an Konturen
gewinnt.

Mit dieser Ablehnung des westlichen Bezugssystems kehrt auf Seiten der
extremen Rechten eine Rhetorik wieder, die in ihrem "revolution=E4r",
"antikapitalistisch" und "antiimperialistisch" scheinenden Duktus
verwirrt. Von einer ideologischen Ann=E4herung der Rechten an die Linke
kann jedoch keine Rede sein, die aggressive Rhetorik vor allem des
NPD-Umfeldes weist viel mehr auf eine Renationalsozialisierung hin. Daf=FCr
sprechen in der j=FCngsten Zeit eine ganze Reihe von =C4u=DFerungen aus=
 diesem
Milieu.

Bereits der Aufruf des "Aktionsb=FCro Norddeutschland" zur
"Antikriegsdemonstration" am 1. September in Leipzig reproduzierte reine
NS-Ideologie: Der Angriff auf Polen sei Selbstverteidigung gewesen, wobei
man sich mit Verweisen auf den "Sender Gleiwitz" und den "Bromberger
Blutsonntag" im historischen Repertoire Goebbels=8Cscher Propaganda
bediente. Der "Weltkrieg", so die Argumentation, habe erst mit dem
Kriegseintritt Frankreichs und Gro=DFbritanniens begonnen und sei zur
Rettung des "internationalen Kapitals" vor der nationalsozialistischen
Revolution gef=FChrt worden. Die Kriegsschuld liege also bei den
Westm=E4chten.

Auch tagespolitische Kommentare des B=FCros sind an NS-Apologie orientiert.
Eine dort verfasste Kritik am Den Haager Prozess gegen den ehemaligen
jugoslawischen Pr=E4sidenten Milosevic ist ein durchschaubares taktisches
Man=F6ver, dessen eigentliches Ziel die Delegitimation der N=FCrnberger
Kriegsverbrecherprozesse ist: "Nicht zum ersten Mal in der Geschichte ist
es so, dass gerade die gr=F6=DFten Verbrecher sich das Recht herausnehmen,
=FCber andere zu urteilen. Woher sie dieses Recht beziehen, bleibt uns
verborgen. Vermutlich aus dem politischen Einfluss jener Kr=E4fte, die
hinter ihnen stehen. [...] Hier werden dunkle Erinnerungen an 1946 wach,
wo die gr=F6=DFten Kriegsverbrecher aller Zeiten (Churchill, Stalin,
Roosevelt) ein =92Internationales Milit=E4rtribunal=8C in N=FCrnberg=
 errichteten,
um nach ihren eigens daf=FCr erfundenen Gesetzen eine freie deutsche
Reichsregierung abzuurteilen."

Die "freie deutsche Reichsregierung" erscheint als Opfer einerseits der
westlich-kapitalistischen Welt, andererseits der Sowjetunion, deren
Legitimation von hinter ihnen verborgenen Kr=E4fte(n), stamme. Beachtet
man, dass die NS-Ideologie in westlichem Kapitalismus und
Sowjetkommunismus Produkte des "Weltjudentums" ("j=FCdische Plutokratie"
und "j=FCdischer Bolschewismus") sieht, sind diese "Kr=E4fte" deutlich
benannt. Der Code der Verschw=F6rungstheorie ist antisemitisch.

In diesem Kontext sind auch die Reaktionen des Kameradschaftsspektrums
auf die Anschlagserie in den USA zu verstehen. Unter dem Titel "Bushfeuer
in Manhatten" publizierte das "Aktionsb=FCro" mehrere Kommentare, in denen
die Angriffe als Schl=E4ge gegen "die Schaltzentralen der Macht" und die
"Feinde der V=F6lker" gedeutet werden. Der Kampf gelte einer
US-amerikanischen "One-World-Strategie", mit der das "internationale
Kapital" seine Interessen durchsetze.

Die Aufz=E4hlung der Opfer des "US-Imperialismus" f=FChrt =FCber Vietnam und
den Irak schlie=DFlich zum Luftangriff 1945 auf Dresden: "Wo bleiben die
Schweigeminuten und Gedenktage f=FCr die Hunderttausenden Toten unseres
Volkes, die =92Uncle Sam auf dem Gewissen hat?".

Doch dienen diese antiimperialistischen Phrasen nicht nur der
Geschichtsklitterung, sie entspringen durchaus einem geostrategischem
Konzept, das in der verelendeten Peripherie der kapitalistischen Welt
B=FCndnispartner f=FCr den Kampf gegen den Westen und dessen Hegemonialmacht
USA sieht. Gel=E4nge dies, so sieht dieses Modell im Umkehrschluss eine
Renaissance des Deutschen Reiches vor.

Bedenkt man die kulturellen Konsequenzen dieses Konzeptes, ist es nicht
verwunderlich, dieses auch beim intellektuellen Fl=FCgel des NPD-Umfeldes
zu finden. In der ZDF-Sendung "Aspekte" lie=DF man zehn Tage nach dem
Anschlag mit Reinhold Oberlercher und Horst Mahler zwei K=F6pfe
neonazistischer Theoriebildung zu Wort kommen. Beide nutzen die
Gelegenheit, ihre Positionen zur US-amerikanischen Welt zu verbreiten:
Oberlercher sah in den Anschl=E4gen eine "Manifestation mohammedanischer
Hochkultur" und Mahler prophezeite die =DCberlegenheit deutscher Kultur im
sich abzeichnenden Kampf mit dem Westen. Letzterer ver=F6ffentlichte auf
seiner Homepage auch ein Manifestchen mit dem Titel "Independence-Day
live".

Dort verk=FCndete er das "Ende Amerikanischen Jahrhunderts, das Ende des
globalen Kapitalismus und damit das Ende des weltlichen Jahwe-Kultes, des
Mammonismus." Mahler, der seine Auseinandersetzung mit der Moderne mit
antisemitisch aufgeladenem Animaterialismus und Versatzst=FCcken von Hegels
Geschichtsphilosophie bestreitet, sieht die V=F6lker der Welt einen
"Befreiungskrieg" gegen die USA f=FChren, in dem auch die deutsche
Geschichte ihren Platz hat: "Es ist ein Krieg =AD gegenw=E4rtig an
unsichtbaren Fronten weltweit. Dieser Krieg geht seit 1917, dem Zeitpunkt
der Entsendung eines amerikanischen Expeditionskorps zur Rettung
Gro=DFbritanniens, von den Finanz-Eliten der USA aus. Das Deutsche Reich
ist =AD ununterbrochen =AD seit 1914 von dieser Kriegsf=FChrung der
imperialistischen M=E4chte betroffen. Deren erkl=E4rtes Ziel war und ist es,
die Vormacht der USA als Garant des r=E4uberischen Freihandels zu sichern,
indem das Deutsche Reich auf ewig zerst=F6rt und das gro=DFe und kraftvolle
Volk der Deutsc!
hen in der Mitte Europas zuerst dezimiert und anschlie=DFend durch
Umvolkung als Kulturnation und Machtfaktor der Weltgeschichte ausgel=F6scht
wird. Die milit=E4rische Niederlage des deutschen Reiches 1945 hat die
V=F6lker Europas und die =FCbrige Welt schutzlos der US-amerikanischen
Milit=E4rmacht und den Auspl=FCnderungsz=FCgen der US-Ostk=FCste=
 ausgeliefert."

Vergleicht man diese Passage mit einem nationalsozialistischen Klassiker,
f=E4llt auf, =FCber welch geschlossen v=F6lkisches Geschichtsbild NPD-Anwalt
Mahler mittlerweile verf=FCgt. Gespensterten durch seine Weltanschauung
noch lange verirrte marxistische Fragmente seiner Vergangenheit, liest
sich dieser Text wie eine Paraphrase auf "Mein Kampf". Dort schrieb
Hitler r=FCckblickend auf die anglo-amerikanische Politik im Ersten
Weltkrieg: "Die Vernichtung Deutschlands war nicht englisches, sondern in
erster Linie j=FCdisches Interesse. [...] Juden sind die Regenten der
B=F6rsenkr=E4fte der amerikanischen Union. [...] Schon glauben die gr=F6=DFt=
en
K=F6pfe der Judenheit die Erf=FCllung ihres testamentarischen Wahlspruches
des gro=DFen V=F6lkerfra=DFes herannahen zu sehen. Innerhalb dieser gro=DFen
Herde entnationalisierter Kolonialgebiete k=F6nnte ein einziger
unabh=E4ngiger Staat das ganze Werk in letzter Stunde noch zu Fall bringen.
[...] Bleibt auch nur ein Staat in seiner nationalen Kraft und Gr=F6=DFe
erhalten, w!
ird und muss das j=FCdische Weltsatrapenreich, wie jede Tyrannei auf dieser
Welt, der Kraft des nationalen Gedankens erliegen."

Zus=E4tzlich zum Kampf gegen Amerika bietet heute der Nahostkonflikt die
willkommene Projektionsfl=E4che, da gegenw=E4rtig der Fall der USA den
Israels mit sich br=E4chte. Durch ihre Feindschaft mit dem j=FCdischen Staat
wird in der arabischen Welt ein Verb=FCndeter im Kampf gegen das Judentum
gesehen. =C4hnliche Solidarit=E4tsadressen des Deutschen Reichs sind bereits
aus den Tagen der britischen Mandatszeit in Pal=E4stina bekannt.

Es wird sich zeigen, ob Renationalsozialisierung im Umfeld der NPD
Auswirkungen auf das angestrebte Parteienverbot hat. Die =D6ffentlichkeit
nahm zwar den Beifall deutscher Neonazis zu den Anschl=E4gen in den USA
wahr, nicht aber die in ihm enthaltenen Ideologeme des orthodoxen
Nationalsozialismus.


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