[rohrpost] Kultur-Taler für Projekte anstatt

g i s e l a m u e l l e r gisela@inbeta.de
Fri, 12 Apr 2002 13:17:31 -0700


>ich glaube, dass das kleinste zeichen an praktischer solidaritaet von den
>grossen haeusern an die kleineren institute und gruppen schon interessant
>waere; aber wenn die frage nach der notwendigkeit von drei opernhaeusern in
>einer bankrotten stadt gestellt wird (und von der foerderung innovativer
>kunst mit digitalen medien, die jetzt oft sowieso bei den regulaeren
>toepfen aussen vor bleibt, ist da noch lange nicht die rede), dann fordert
>die lobby der grossen haeuser immer, die kulturleute duerften sich nicht
>gegeneinander ausspielen sondern muessten sich solidarisch verhalten ...
>(einbahn-solidaritaet).

das problem ist ja nicht nur ein berliner problem, sondern 
symptomatisch für mehr als _nur_ die KULTURlandschaft hierzulande. 
die grossen häuser werden sich nicht solidarisieren, denn sie sind ja 
in einem noch viel höherem masse abhängig von öffentlichen geldern. 
daraus leitet sich ihre legitimation ab. wohingegen die _freie_ szene 
sich primär über ihre aussagen und inhalte legitimiert.

die frage, ob ein hochsubventioniertes opernhaus -- und vor allem 
das, was darin passiert! -- tatsächlich notwendig und von 
gesellschaftlicher relevanz ist, wird nicht wirklich ernsthaft 
gestellt. andererseits sind die opern- und theaterhäuser voll und das 
publikum scheint ihrem fortbestand recht zu geben.

von baudrillard (was immer man von ihm halten mag) kommt dieser 
treffende spruch, dass die dinge fortbestehen, obwohl die idee von 
ihnen längst verloren gegangen ist. wir haben es also mit einer menge 
substanzloser hüllen zu tun, die für teures geld vor dem 
zusammenfallen bewahrt werden. das system reproduziert sich zunehmend 
unheiter weiter. parallel finden ganz andere strömungen statt - nicht 
erst seit das WWW existiert. und dieses andere, sei es die off-szene, 
digitale netzkultur u.ä. hat im kern einen politischen anspruch, der 
darauf abzielt, eben diese sich selbst reproduzierenden strukturen zu 
zerstören oder zumindest aufzuweichen.

--> d.h.: mit ihrer solidarität müssten sich die großen etablierten 
häuser selbst in frage stellen. auf diese solidarität braucht man, 
denke ich, nicht hoffen.

und ein zweites: was im bereich der off-szenen (digital oder analog) 
immer passiert(e), war und ist das überschreiten von grenzen, also 
auch von genre- und spartengrenzen. bei den meisten 
(medien-)projekten kann man ja gar nicht mehr sagen, ob das nun 
_darstellende_ oder _bildende_ kunst ist oder _musik_ oder 
_literatur_. die öffentliche förderpraxis basiert aber nach wie vor - 
mit wenigen ausnahmen - auf spartentrennung. ... auch die 
ausschlussverfahren funktionieren also weiter.


face it: _wir_ sind die wenigen - und auch unsere wahrnehmung ist die 
einer minderheit. UNSERE lobby sind wir selber.

so long mit grüßen aus München
Gisela




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