[rohrpost] Re: gestern war was los....

frichter00@gmx.de frichter00@gmx.de
Sat, 1 Sep 2001 01:50:10 +0200 (MEST)


bytheway-------

die misere der subkultur (im berliner plural natürlich) sollte aber nicht
nur als die misere der club-szene begriffen werden. stagnationen, insbesondere
festgefahrene strukturen, sind heute ebenso in der bildenden kunst und
alltags-kommunikation allgemein zu beobachten. 

vielleicht auch weil sich viele bereiche irgendwann ökonomisch festgelegt
haben und festlegen haben lassen. 

naja - man musste darüber länger und breiter nachdenken. es reicht aber -so
denke ich- nicht aus, azentrische systeme aufzubauen und davon auszugehen,
das die subkultur uns bereichern (bilden, erwecken, erhönen als der warme
standortfaktor) soll.

gruss
frank

http://www.4d-screen.de


> ... in Berlin:
> 
> Im Tempodrom, wo vor nahezu 15 Jahren mit der 1. Acid-House-Party ein
> wichtiger subkultureller Meilenstein gelegt wurde, diskutierte eine
> ausgesuchte Schar von Kulturarbeitern, Soziologen und dem grünen
> Justizsenator über das Ende der Subkulturen.... 
> 
> ... das es am Ende doch nicht gibt.
> 
> Das Subkulturen in Berlin vor allem etwas mit techno zu tun haben muß,
> deshalb auch mit Drogen-Kultur und polizeiliche Reprässions-Kultur,
> konnten viele Zuhörer (ca 250 Leute immerhin) nicht wirklich
> nachvollziehen.
> 
> Wird die Subkultur sterben???? Nein, sicher nicht.... aber!!?
> 
> Vielleicht ist das Tempodrom symptomatisch oder stellvertretend für die
> Subkulturen zu sehen.
> Diese Diskussion war eine der letzten Veranstaltungen in einem uns
> liebgewordenen Zirkuszelt. Nach dem Umzug aus dem Tiergarten (Bannmeile)
> an den Ostbahnhof umgesiedelt, dessen Areal nun für ein Eisstadion
> plattgemacht wird, besteht das Tempodrom weiter.
> Mit neuem Ort (Anhalter Bahnhof) und ohne Zelt, dafür mit
> Starachitektendesigner-Dach werden die "Heimatklänge" sicher nicht mehr
> den alternativen Flair einer Ethno-Subkultur haben.
> 
> Vereinnahmung oder Verteidigung??
> subkultur funktioniert in kleinen communitys weit abseits des
> Mainstream, das ist ja nun wirklich allen klar. Dennoch werden die
> subkulturen permanent vereinnahmt. Sei es als Marketinginstrument für
> die Berlin-Tourismuswerbung oder durch die Industrie, die mit Ihren
> Scouts mal schaut, was gerade so Trend ist.... aber wo bleibt der Lohn,
> oder wollen wir in überhaupt???
> 
> Natürlich war kommerzialisierung der Subkultur ein wichtiger
> Themenbereich, und viele Subkultuarbeiter wehren sich permanent gegen
> diese Tendenzen...
> Aber wo fängt er an, der Kommerz??? Wenn die Veranstalter von Subkultur
> davon leben können? - Was vielleicht Ihr gutes Recht ist....
> Muß die Subkultur sich wirklich selbstausbeuten, lebt sie eher von
> Mangel und Improvisation als von Ressourcen.... 
> 
> Niemand konnte diesen Komplex wirklich zufriedenstellend beantworten.
> 
> 
> Clubsterben oder Kultur-Areal??
> Ja, die Berliner Subkultur steckt in einer tiefen Krise, das spürt jeder
> Subkulturarbeiter am eigenen Leib.
> Die DJ`s aus Hildesheim und die Veranstalter aus Bayern haben sich
> inzwischen in Berlin "breitgemacht". Seid willkommen, aber 200 Clubs und
> xxxx Dj`s sind einfach zu viel für unsere "kleine" Stadt.
> 
> Den Lohn den wir brauchen ist Anerkennung!!! Subkultur ist immer
> wiederkehrende kreative Ressource, praktisch das Korn oder die Kartoffel
> der Stadt.
> Wir brauchen kein Kultur-Areal à la München, das wäre mit uns sowieso
> nicht zu machen. 
> Wir brauchen Luft zum Atmen, aber auch strukturelle Unterstützung an der
> Basis.
> 
> Mitte der 90er stand Berlin schon einmal kurz vor dem SubKultur-Exitus
> weil alle illegalen (Ost-)Lokations von der Schließung bedroht waren.
> Was ist passiert??
> Viele Künstler, Musiker und Veranstalter sind nach Hamburg abgewandert,
> haben die dortige Trance-Szene "genährt".
> Doch die Berliner Subkultur hat sich re-organisiert, das Vereinsrecht
> für sich entdeckt und war stärker den je... was sich dann auch in den
> Besucherzahlen der Loveparade niederschlug.
> 
> Subkultur ist ein volkswirtschaftlicher Faktor, so wie soziale oder
> körperliche Gesundheit. 
> Wann erkennt die Gesellschaft und insbesondere die Berliner Politik, das
> neben Gesundheitsfürsorge und Sozialfürsorge auch eine Kulturfürsorge
> stattfinden muß???
> 
> Tut Sie? Na klar, für die Hochkultur....
> 
> Vor-Wahl-Lippenbekenntnisse reichen uns nicht mehr, es muß etwas
> sinnvolles passieren. 
> Das die Loveparade GmbH abwandern will, ist vielleicht wirklich mehr als
> ein Lippenbekenntnis.... 
> 
> Die Subkultur entwickelt Visionen und setzt diese um. 
> In sich ändernden Zeiten, an der Schwelle zu Wissens und
> Informationsgesellschaft, ein hochwertiger und nicht abzuschätzender
> Mehrwert für die gesamte Gesellschaft.
> 
> 
> Ist eine neue re-organisation der subkultur notwendig???
> Ja, vielleicht....
> 
> Wir reden nicht über Instrumente oder Werkzeuge, wir reden über Menschen
> und persönliche Schicksale.
> Diese persönlichen Schicksale sind es, die Subkultur (aus)machen.
> 
> Eins ist gestern auf jeden Fall deutlich geworden:
> Ein "come together", eine "neue Ratlosigkeit" und letztlich das feste
> Wissen das ein jeder einzeln die Probleme der Subkulturarbeiter nicht
> lösen kann...
> Mehrmals wurde es gesagt: es braucht einen Raum in dem wir
> Subkulturarbeiter zusammenkommen können. 
> 
> 
> Vielleicht ist der erste Stein für diese neue Meile schon gelegt:
> 
> http://www.berlin-underground.com/preview/protokoll001.html
> 
> Kommentare und Feedback sowie Verriss ausdrücklich erwünscht....
> 
> 
> 
> internette grüße aus dem open-office/berlin
> 
> lotar
> 
> 
> PS: wer rechtschreibefehler findet, darf diese behalten (irgendwo
> geklaut)
> 
> PS: und danke für die Aufmerksamkeit, das wollte ich schon lange mal
> loswerden.....
> 

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