[rohrpost] Oliver Marchart: "Dass wir Österreicher Deutsche sind"
sebastian.luetgert
sebastian.luetgert" <sebastian@rolux.org
Wed, 23 Feb 2000 11:27:30 +0100
Jungle World 9/2000
»Dass wir Österreicher Deutsche sind«
Jörg Haiders Kulturberater Andreas Mölzer stärkt die
deutschnationale Traditionslinie der Freiheitlichen. Schon vor
zehn Jahren verfasste der ehemalige Waffenstudent ein Lob des
Nationalsozialismus. von oliver marchart, wien
Die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ ist nicht einfach eine
Koalition zwischen Rechten und Noch-Rechteren. Hier koalieren
zwei politische Lager, die eine historische Intimfeindschaft
miteinander verbindet, welche bis zu jenem Tag im Jahr 1934
zurückreicht, an dem putschende Nazis den austrofaschistischen
Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ermordeten. Was die ÖVP
betrifft, so hat sie sich bis heute nicht vom Austrofaschismus
distanziert. Im Parlamentsklub der ÖVP soll nach wie vor ein
Dollfuß-Porträt prangen. Der Diktator wird als eine Art
Widerstandskämpfer verehrt, der die österreichische Waldheimat
verteidigte, denn für die ÖVP war der Austrofaschismus kein
Faschismus, sondern katholische Notwehr gegen den gottlosen
Nationalsozialismus.
Die FPÖ wiederum repräsentierte das so genannte dritte Lager:
Sammelbecken der ehemaligen Nazis und gesinnungstreuen
Deutschnationalen. Somit muss man von Haiders »ambivalentem«
Verhältnis zum Nationalsozialismus nicht allzu überrascht sein.
Zwar gab es in der Partei ein liberales Intermezzo, doch
säuberte Haider nach seiner Machtübernahme die Partei von
liberalen Elementen und besann sich wieder auf die Tradition.
Das Problem dabei: Das deutschnationale Wählerpotenzial ist in
Österreich zu begrenzt. Nur in Kärnten, das sich immer als
Bollwerk des deutschen Kulturraums gegen die slawischen Horden
verstanden hatte, war es tendenziell größer. Es ist also
keineswegs Zufall, dass Haider, der selbst Oberösterreicher ist,
gerade in Kärnten zum Landeshauptmann aufstieg (wobei diese
Karriere von seinem im Kärntner Landtag vorgebrachten Lob der
Beschäftigungspolitik des »Dritten Reichs« unterbrochen wurde).
Um aber gesamtösterreichisch bei Wahlen bis zur Mittelpartei
aufzusteigen, musste er früher oder später die Partei -
zumindest nach außen hin - auf eine austro-patriotische Linie
einschwören.
Zu diesem Zeitpunkt der Austrifizierung der Parteilinie wurde
der damalige völkische Chefideologe der FPÖ, Andreas Mölzer,
erst mal von Haider kaltgestellt. Nachdem Haider aber im
Frühjahr 1999 zum zweiten Mal Kärntner Landeshauptmann geworden
war (und Landeskulturreferent), besann er sich des alten
Kameraden und machte Mölzer zu seinem offiziellen
kulturpolitischen Berater. Selbst wenn die FPÖ heute als
chauvinistische Österreich-Partei auftritt, lässt u.a. die
zentrale Positionierung Mölzers darauf schließen, dass der
Deutschnationalismus hinter den Kulissen weiterlebt (Haider
selbst hatte einmal aus dieser Tradition heraus die
österreichische Nation als »Missgeburt« bezeichnet). Mölzer
sieht - in alt- wie in neurechter Manier - gerade in der Kultur
das Schlachtfeld, auf dem das Erbe des Deutschtums verteidigt
werden muss.
Fuchsmajor Mölzers Kulturprogramm
Vor ein paar Jahren noch hätte niemand im politischen Mainstream
Mölzer auch nur mit einer Zange angefasst. Inzwischen ist er
komplett normalisiert, er ist fester Kolumnist sowohl der
konservativen Tageszeitung Die Presse als auch des
Boulevardblatts Kronenzeitung. Da die FPÖ mit medientauglichen
Intellektuellen sonst nicht aufwarten kann, ist es zumeist
Mölzer, der regelmäßig von Zeitungen und Nachrichtenmagazinen zu
Round-Tables und Gastkommentaren eingeladen wird. Mit Zur Zeit
(ZZ) gibt er sein eigenes Magazin heraus, das mit der Jungen
Freiheit kooperiert. In der ZZ wird kräftig gegen
»Wehrmachtsdiffamierung« agitiert und des »Holocausts« an den
Donauschwaben gedacht. Einmal kam man der »Auschwitz-Lüge« etwas
zu nahe, als ZZ einen Artikel von Hans Gamlich publizierte, in
dem die Vernichtung der Juden »mittels Zyklon B« angezweifelt
wurde. Dass das dem Herausgeber Mölzer eine Anzeige wegen
Wiederbetätigung einbrachte, hat kaum gestört.
Kürzlich hat die IG Autoren einen Zufallsfund präsentiert, der
Mölzers Ideologie in Manifest-Form komprimiert: Mölzers
gesammelte Reden als Fuchsmajor im akademischen Corps Vandalia.
Das Buch mit dem Titel »Das Waffenstudententum in Vergangenheit
und Gegenwart« ist 1980 im einschlägigen Aula-Verlag erschienen
und war nicht zum Verkauf im Buchhandel bestimmt, weshalb es
auch 20 Jahre lang nicht ans Licht der Öffentlichkeit kam. In
diesem Buch fasst Mölzer die Position des deutschnationalen
»Waffenstudenten im heutigen Österreich«, also auch seine eigene
Sichtweise, mit den Worten zusammen: »An erster Stelle steht die
Liebe zum gesamtdeutschen Volk und zum deutschen Stamme in
Österreich, sowie die Überzeugung von der unlösbaren
Verbundenheit Österreichs mit dem deutschen Schicksal.« In
diesem Zusammenhang entwickelt Mölzer die These, der
Nationalsozialismus sei für die Waffenstudenten das »endlich
erreichte Ziel und der Höhepunkt einer Jahrhunderte langen
Entwicklung«.
Der Abschnitt ist es wert, ausführlich zitiert zu werden: »Um
die Entwicklung weiter zu verfolgen, muß man sagen, daß der
Nationalsozialismus - ohne sich jetzt nur im geringsten auf eine
diesbezügliche Diskussion einlassen zu wollen - für das Gros der
Waffenstudenten das endlich erreichte Ziel und den Höhepunkt
einer Jahrhunderte langen Entwicklung bedeutete. Man gab zum
großen Teil die individuelle Existenz der einzelnen
Korporationen gerne auf, da man sich ja nie als Selbstzweck
gesehen hatte, sondern nur als akademischer Baustein zum höheren
Ganzen. Das Streben von Generationen der Besten unseres Volkes
schien sich zu erfüllen - national fürs Vaterland und dadurch
fürs ganze Abendland -, für ganz Europa - und sozial für den
einzelnen, den Schwachen, eingebunden in eine starke
Volksgemeinschaft. Doch es kam anders, in grauenhaftem Inferno
brach der Traum zusammen, zerstört, erniedrigt, beschmutzt lag
im Kot der Geschichte, wofür Hunderttausende der Besten bereit
waren, ihr Leben zu lassen.«
Wer nun glaubt, die Vorstellung dieses Machwerks vor der Presse
hätte einen Skandal ausgelöst, unterschätzt das Ausmaß der
Normalisierung des Rechtsextremismus in Österreich. In den
überregionalen Medien gab es dazu - im besten Fall - eine
Kurzmeldung. Mölzer selbst verwies lakonisch darauf, dass es
sich um ein Jugendwerk handele, distanzierte sich aber nicht
davon. Auf Nachfragen des Kurier ließ er sogar wissen, dass seit
der Öffentlichmachung der Schrift sein Ansehen gestiegen sei:
»Die Leute sagen, endlich wissen wir, dass du kein Karrierist
bist, sondern zu alten Gesinnungen stehst.« Daraus muss man
schließen, dass Haiders Kulturberater seine Aussagen von 1980
heute nach wie vor unterschreiben würde. Das wiederum lässt
Rückschlüsse auf die Inhalte seiner Beratungstätigkeit zu, denn
das Buch enthält auch einen kulturpolitischen Maßnahmenkatalog,
der für Mölzer wohl ebenfalls noch aktuell sein dürfte.
So heißt es: »Erstes Kampfziel sollte wohl die Neuschaffung
eines starken deutschen Kultur- und Geistesbewußtseins
darstellen.« Nicht als Selbstzweck und nicht nur für
Deutschland, »sondern im Dienste Gesamteuropas, des gewordenen
Abendlandes (...) und damit zum Guten der ganzen Menschheit, des
ganzen Planeten«. Aber »in der Mitte«, wohlgemerkt, stehe immer
noch »Deutschland, das deutsche Volk, durch tausend Jahre
Mittler und Kristallisationspunkt aller bedeutenden Ideen der
abendländischen Geschichte«.
Für Österreich ergebe sich daraus eine klare historische
Mission: »Das Bewußtsein, daß wir Österreicher Deutsche sind,
muß wiederbelebt werden. (...) Auf dieser geistigen Grundlage
müßte die Wiedergeburt eines echten politischen Willens des
gesamten Volkes angestrebt werden, welcher sich in der Folge
auch in der realen Politik der staatlichen Hoheitsträger
auswirken muß.«
Fremdwörter raus!
Zur »Belebung des Deutschtums im kulturellen Bereich« schlägt
Mölzer unter anderem Maßnahmen zur »Selektierung« von
Fremdwörtern, zur Revision der Geschichte und zur
Kenntlichmachung der nicht-deutschen Kultur vor:
Sprachreinigung: »Reinhaltung, Förderung und positive
Fortentwicklung der deutschen Sprache, Selektierung von
Fremdwörtern, Arbeit zur Sprachförderung in Gebieten mit
Mischbevölkerung und Vertiefung der sprachlichen Inhalte«.
Geschichtsrevision und -kontrolle: »Kontrolle und Intensivierung
des Geschichtsunterrichts, wobei eine Umorientierung der
Geschichtswissenschaft Voraussetzung wäre, müßten eingeführt
werden. Dabei sollte aufgezeigt werden, wo und wie wir Deutschen
in Bezug auf unsere eigene Geschichte manipuliert wurden.«
Völkische Kunst- und Wissenschaftsförderung: »Wissenschaftler
und Künstler, die in ihrer Tätigkeit das deutsche Volk
repräsentieren, müßten verstärkt gefördert werden. Im gesamten
kulturellen und künstlerischen Bereich müßten eigenständige
deutsche Bemühungen unterstützt werden, wobei nach und nach das
Fremde, Aufgepfropfte zwar nicht als schlecht, aber doch als
nichtdeutsch erkennbar gemacht werden müsste (siehe moderne
Musik).«
Mölzer ist immer noch Kolumnist der Presse und immer noch
offizieller Berater das Landeskulturreferenten von Kärnten. Eine
Kärntner Galeristin erklärte unlängst in einem Kommentar, dass
die »Frage, ob man um eine Subvention ansuchen soll«, sich für
viele Kulturschaffende in Kärnten erst gar nicht stelle, »weil
sie wissen, dass einem dann ein Herr Mölzer als Gesprächspartner
gegenübersitzt«.
Das FPÖVP-Kulturprogramm
Die österreichische Situation könnte also ironischer nicht sein:
55 Jahre nach Kriegsende hat das »dritte Lager«, das für sich
genommen ein Wählerpotenzial von nicht einmal 5 Prozent hätte,
mit Hilfe eines patriotischen Wahlkampfs und mit Hilfe der ÖVP
die Staatsmacht errungen. Die daraus entstandene seltsame Mixtur
aus Deutschtümelei und Österreichtümelei schlägt sich auch im
Regierungsprogramm nieder.
Die ÖVP/FPÖ-Koalition hatte an die Öffentlichkeit appelliert,
man möge sie nicht an früheren Aussagen Haiders, sondern an
ihrem aktuellen Regierungsprogramm messen. Doch auch in diesem
Programm fühlt man sich streckenweise an die Mölzersche
Geisteswelt erinnert. Neben der projektierten Zwangsarbeit für
Langzeitarbeitslose und der Verschmelzung von Wirtschafts- und
Arbeitsressort, also der Identifizierung von Arbeitnehmer- mit
Arbeitgeberinteressen, in einem einzigen Ministerium (diese
Zusammenlegung war zuletzt Hitler eingefallen; innerhalb der EU
ist es einzigartig), ist es vor allem der an eventuelle
Zahlungen an Zwangsarbeiter geknüpfte Revisionismus, der tief
blicken lässt.
So heißt es in einem Atemzug, die Regierung strebe »sachgerechte
Lösungen
in den Fragen aller im Zuge des Zweiten Weltkrieges zur
Zwangsarbeit gezwungenen Personen, der österreichischen
Kriegsgefangenen sowie der infolge der Benesch-Dekrete (...)
nach Österreich vertriebenen deutschsprachigen Bevölkerung« an.
Irgendwie waren schließlich am Krieg alle gleich schuld, also
kann man auch die von den Nazis verschleppten Zwangsarbeiter mit
deutschen/österreichischen Kriegsgefangen bzw. Sudetendeutschen
gleichsetzen. Ein Detail der Schreibweise ist aufschlussreich:
Die Eindeutschung des Namens Bene`«s zu »Benesch« war bisher nur
bei Deutschnationalen üblich, nicht jedoch in offiziellen
Schriften der österreichischen Bundesregierung.
Volk und Heimat
In diesem Kontext muss man die Programmpunkte zur Kulturpolitik
lesen. Zum einen entsprechen sie der neoliberalen
Auslagerungsideologie und fordern die Einrichtung einer
Nationalstiftung zur Bewahrung und Pflege des kulturellen Erbes,
steuerliche Absetzbarkeit bei Kunstankäufen, Stärkung der
»creative industries« etc. Zum anderen gibt es mit der Förderung
des völkischen Provinzialismus und der Heimatkunst durchaus
Entsprechungen zur deutschnationalen wie auch zur
katholisch-ländlichen Kulturideologie der Koalitionsparteien. So
verheißt die neue Regierung »die Förderung der kulturellen
Ausdrucksformen der Regionen«, verspricht Volkskunst zu fördern
und Volkskultur schwerpunktmäßig zu erforschen. Wie hieß das
noch 1980 bei Mölzer: »Wissenschaftler und Künstler, die in
ihrer Tätigkeit das deutsche Volk repräsentieren, müßten
verstärkt gefördert werden.«
Natürlich ist es nicht das »deutsche« Volk, von dem im
Regierungsprogramm gesprochen wird. Das ist auch nicht
notwendig. Mit der Förderung der regionalen Ausdrucksformen der
Volkskultur ist ein gemeinsamer Nenner von deutschnational bis
konservativ-katholisch gefunden. Für die Koalition erweist sich
das als günstige Sprachregelung, denn mit »Volkskultur« treffen
sich die Begriffe, auch wenn ein jeweils anderes Volk gemeint
sein sollte.
Solange man nur »Volk« sagt, können die einen das
österreichische, die anderen das deutsche darunter verstehen;
solange man nur »Heimat« sagt, können die einen die
österreichische, die anderen die deutsche Heimat darunter
verstehen. Eine ideale Lösung. Und so fanden - auch in der
Kulturpolitik - zwei alte Intimfeinde zueinander. Nicht umsonst
demonstrieren heute in Wien deutschnationale Verbindungen für
einen katholischen Kanzler. Der arme Dollfuß ist umsonst
gestorben.
http://www.jungle-world.com/_2000/09/26a.htm
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